Red Rabbit: Roman
nur einfach dem Geheimdienst nicht negativ auffallen.
»Ja, natürlich, Genosse. Wenn Sie etwas brauchen, klingeln Sie bitte nach mir. Abendessen gibt es um 18:00 Uhr, und der Speisewagen ist gleich hier vorn.« Er zeigte ihnen die Richtung.
»Wie ist das Essen?«, wagte Irina zu fragen. Die Frau eines KGB-Majors zu sein hatte auch seine Vorteile …
»Es ist nicht schlecht, Genossin«, antwortete der Schaffner höflich. »Ich esse selbst dort«, fügte er hinzu. Und das wollte bestimmt etwas heißen, dachten Oleg und Irina.
»Vielen Dank, Genosse.«
»Genießen Sie die Reise«, sagte er und ging.
Oleg und Irina packten ihre Bücher aus. Swetlana drückte ihre Nase am Fenster platt, um die vorbeisausende Landschaft zu bestaunen, und so begann die Reise, von der nur einer von ihnen wusste, wohin sie wirklich führen sollte. Westrussland besteht hauptsächlich aus hügeligen Ebenen und endloser Weite, ähnlich wie Kansas oder der Osten von Colorado. Die Gegend sah langweilig aus, außer für zaichik , für die alles neu und aufregend war, vor allem die Kühe, die auf den Wiesen grasten.
In Moskau dankten Nigel Haydock und Paul Matthews dem Beamten vom Transportministerium für seine liebenswürdige Hilfe und fuhren dann zur britischen Botschaft zurück. Die Botschaft besaß ein eigenes Fotolabor, und der Fotograf wandte sich in diese Richtung, während Matthews Nigel in dessen Büro folgte.
»Also, Paul, kann man daraus eine verwertbare Story machen?«
»Ich denke schon. Ist das denn wichtig?«
»Nun, für mich wäre es schon von Vorteil, wenn die Sowjets glaubten, ich möchte durch die Presse auf ihr glorreiches Land aufmerksam machen«, erwiderte Haydock und kicherte.
Du bist vom MI-6, wetten? dachte Matthews, äußerte seinen Verdacht jedoch nicht laut. »Ich denke schon, dass sich daraus was machen lässt. Die britische Eisenbahn kann ein bisschen Dampf
unter dem Hintern weiß Gott gebrauchen. Vielleicht bringt das ja den Fiskus dazu, etwas mehr Geld hineinzustecken.«
»Gar keine schlechte Idee«, sagte Nigel zustimmend. Ihm war klar, dass sein Gast sich zwar seine Gedanken über ihn machte, aber immerhin genug Verstand besaß, diese nicht zu äußern. Vielleicht würden sie später einmal darüber reden, wenn Nigel an seinen Schreibtisch im Century House zurückgekehrt war und sie zusammen in einem Pub in der Fleet Street saßen.
»Wollen Sie unsere Fotos sehen?«
»Darf ich das denn?«
»Natürlich. Wie Sie wissen, werfen wir sowieso die meisten davon weg.«
»Schön«, sagte Haydock und öffnete die Tür zu dem Barschrank hinter seinem Schreibtisch. »Etwas zu trinken, Paul?«
»Gern, Nigel. Zu einem Sherry sage ich nicht Nein.«
Zwei Gläser Sherry später betrat der Fotograf mit zwei Mappen voller Abzüge den Raum. Haydock nahm sie entgegen und blätterte sie durch. »Hervorragende Arbeit. Wenn ich meine Nikon benutze, bekomme ich das mit der Blende nie richtig hin …« Da, ein hübsches Familienfoto mit dem Rabbit – und noch wichtiger, mit seiner Frau. Es gab drei davon, eins besser als das andere. Nigel legte die Fotos in seine Schublade und gab die Mappen zurück. Matthews verstand den Wink.
»Ich muss zurück in mein Büro, um die Story auf Papier zu bringen. Danke für den Aufmacher, Nigel.«
»War mir ein Vergnügen, Paul. Finden Sie allein raus?«
»Natürlich, mein Freund.« Matthews und sein Fotograf verschwanden im Flur. Haydock wandte sich wieder den Fotos zu. Mrs Rabbit mit ihrem runden slawischen Gesicht war eine typische Russin – in der Sowjetunion gab es unzählige Frauen dieses Typs. Sie musste nur ein paar Kilo loswerden und im Westen etwas für ihr Aussehen tun … wenn sie es bis dorthin schaffen, schränkte er ein. Größe: etwa eins fünfundsechzig, Gewicht: rund siebzig Kilo, keine schlechte Figur. Das Kind war ein süßes Mädchen mit lebhaften blauen Augen und einem fröhlichen Gesicht – noch zu jung, um seine Gefühle hinter einer ausdruckslosen Maske zu verbergen, wie es fast alle Erwachsenen hier taten. Nein, in ihrer Unschuld und mit ihrer unersättlichen Neugier waren Kinder überall auf der Welt
gleich. Aber das Wichtigste war, dass jetzt ausgezeichnete Fotos von der Rabbit-Familie vorlagen.
Der Kurier saß in der obersten Etage, in der Nähe des Büros von Sir John Kenny, dem Botschafter. Haydock gab ihm einen großen Umschlag, dessen Klappe mit einem Metallclip und Klebstoff verschlossen und zusätzlich mit Wachs versiegelt war. Als
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