Red Rabbit: Roman
die anderthalb Tage, die man braucht, um sie zu ersetzen«, sagte Zaitzew.
Das war also geklärt. Sie würden mit dem Zug nach Ungarn fahren. Irina überlegte, was sie packen sollte. Doch ihr Mann plante schon sehr viel weiter: In einer Woche oder in zehn Tagen würden sie sich vollkommen neu einkleiden, sagte er sich. Und in ein oder zwei Monaten hatten sie vielleicht sogar schon Gelegenheit, dieses Disneyland in der amerikanischen Provinz namens Florida zu besuchen …
Er fragte sich, ob die CIA wusste, wie viel Vertrauen er in sie setzte, und er betete – was ungewöhnlich war für einen KGB-Offizier –, dass sie alles so gut organisierte, wie er hoffte.
»Guten Morgen, Jack.«
»Hallo, Simon. Was gibt’s Neues auf der Welt?« Jack stellte seinen Kaffee ab und zog den Mantel aus.
»Suslow ist letzte Nacht gestorben«, verkündete Harding. »Es wird in ihren Nachmittagszeitungen stehen.«
»Ach, das ist aber wirklich schade. Wieder einer zur Hölle gefahren, wo er hingehört!« Wenigstens war er dank Bernie Katz und den Jungs vom Johns-Hopkins-Krankenhaus nicht ganz blind gestorben, dachte Ryan. »Komplikationen mit dem Diabetes?«
Harding zuckte die Achseln. »Das, und weil er alt war, denke ich. Herzinfarkt, laut unseren Quellen. Erstaunlich, dass der alte Knacker überhaupt ein Herz hatte. Jedenfalls wird Michail Jewgeniewitsch Alexandrow sein Nachfolger.«
»Und der fällt in die gleiche Kategorie. Wann wollen sie Suslow unter die Erde bringen?«
»Er war ein hohes Tier im Politbüro. Ich denke, er bekommt ein richtiges Staatsbegräbnis mit Marschkapelle und so weiter, dann wird man ihn ins Krematorium verfrachten, und die Urne bekommt ein Plätzchen in der Kremlmauer.«
»Wissen Sie, ich habe mich schon immer gefragt, was ein echter Kommunist denkt, wenn er weiß, dass er bald stirbt. Sollte man nicht annehmen, dass er sich fragt, ob nicht alles ein einziger, verdammt großer Fehler gewesen ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber Suslow war offensichtlich ein echter Anhänger des Kommunismus. Er dachte wahrscheinlich an all das Gute, das er in seinem Leben getan hat – dass er die Menschen in eine ›strahlende Zukunft‹ geführt hat, wie sie das so gern nennen.«
So dumm kann doch niemand sein, hätte Ryan gern eingewandt, aber Simon hatte vermutlich Recht. Aber die schönste Vorstellung von einem Leben nach dem Tod, die ein Kommunist hegen mochte, entsprach Ryans schlimmster, und wenn der Kommunist falsch lag, dann würde er buchstäblich in der Hölle schmoren. Viel Spaß, Mushka, ich hoffe, du bist gegen Hitze gewappnet.
»Okay, was liegt heute an?«
»Die Premierministerin will wissen, ob sein Tod irgendwelche Auswirkungen auf die Politik des Politbüros haben wird.«
»Sagen Sie ihr, dass das nicht der Fall sein wird. Was die Politik angeht, könnte Alexandrow Suslows Zwillingsbruder sein. Er denkt, Marx sei Gott und Lenin sein Prophet und dass Stalin in den meisten Punkten Recht hatte und nur bei der Umsetzung der politischen Theorie in die Praxis etwas zu nekulturniy vorgegangen ist. Die anderen im Politbüro glauben heute nicht mehr an diesen Schwachsinn, aber alle müssen so tun, als ob. Man könnte Alexandrow also den neuen Dirigenten des ideologischen Symphonieorchesters nennen. Ihnen gefällt die Musik zwar nicht mehr besonders, aber sie müssen nach ihr tanzen, weil es das Einzige ist, das sie kennen. Ich glaube nicht, dass er ihre politischen Entscheidungen auch nur im Geringsten beeinflussen wird. Ich wette, sie hören ihm zwar zu, wenn er was sagt, aber es geht zum einen Ohr rein und zum andern wieder raus. Sie geben vor, ihn zu respektieren, aber in Wirklichkeit tun sie’s nicht.«
»Das Ganze ist schon etwas komplexer, aber im Prinzip haben Sie Recht«, stimmte ihm Harding zu. »Es ist nur so, dass ich das irgendwie auf zehn Seiten auswalzen muss.«
»Ja, und in Bürokratenchinesisch abfassen.« Ryan hatte diesen Jargon nie richtig gelernt, und das war einer der Gründe, warum Admiral Greer ihn so mochte.
»Wir haben eben unsere Vorschriften, Jack, und die Premierministerin will das – wie alle Premierminister – in Worten lesen, die sie versteht.«
»Ich wette, die Eiserne Lady versteht selbst die Sprache eines Matrosen.«
»Sie kann sogar auch so reden, Sir John, aber wenn andere ihr etwas mitzuteilen haben, müssen sie sich einer anderen Sprache befleißigen.«
»Vermutlich haben Sie Recht.« Ryan musste ihm in diesem Fall zustimmen. »Welche
Weitere Kostenlose Bücher