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Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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der – selbstverständlich – für ihn bereit stand, und fuhr hinauf bis ins oberste Stockwerk. Die Männer, die für seine Sicherheit verantwortlich waren, suchten in seiner Miene nach Hinweisen darauf, in welcher Stimmung der Chef heute war, entdeckten aber wie gewöhnlich nichts. Ein professioneller Kartenspieler hätte seine Gemütsbewegungen nicht gründlicher verstecken können als er. Oben angekommen, hatte er noch etwa fünfzehn Schritte bis zur Tür zum Vorzimmer seines Büros zurückzulegen. In das Büro selbst kam man nur durch einen versteckten Zugang, der durch einen Wandschrank führte. Diese Schikane stammte noch aus der Zeit von Lawrenti Berija, dem obersten Spitzel unter Stalin, der offenbar eine Heidenangst davor gehabt hatte, gemeuchelt zu werden, und diese Vorsichtsmaßnahme eingerichtet hatte für den Fall, dass ein Mordkommando bis ins
Hauptquartier der NKWD gelangen sollte. Andropow fand diesen Umweg in sein Büro reichlich albern, zumal inzwischen alle Welt davon wusste, nahm ihn aber wegen der lieben KGB-Tradition in Kauf.
    Sein persönlicher Zeitplan gestattete ihm zu Beginn eines jeden Arbeitstages fünfzehn Minuten zur Sichtung der Papiere und Unterlagen, die auf seinem Schreibtisch lagen. Dann waren die allmorgendlichen Mitarbeiterkonferenzen an der Reihe, worauf schließlich jene Sitzungen folgten, die schon Tage oder auch Wochen im Voraus anberaumt worden waren. Heute standen fast ausschließlich Angelegenheiten der inneren Sicherheit auf der Tagesordnung, doch vor der Mittagspause hatte sich noch jemand aus dem ZK angesagt, um mit ihm eine Sache von politischer Bedeutung zu besprechen. Ach ja, dieser Fall in Kiew, erinnerte er sich. Schon bald nach seiner Ernennung zum KGB-Vorsitzenden hatte er die Feststellung gemacht, dass Parteiangelegenheiten neben den vielfältigen Aufgaben, um die sich sein Amt zu kümmern hatte, an Bedeutung verblassten. Seiner Charta nach war der KGB »Schwert und Schild« der Partei. Es war deshalb – theoretisch – seine erste und vornehmste Aufgabe, ein Auge auf solche Sowjetbürger zu richten, die ihrer Staatsregierung womöglich nicht ganz so begeistert zugetan waren, wie sie es sein sollten. Diese Helsinki-Aktivisten wurden immer zudringlicher. Vor sieben Jahren hatte sich die Spitze der UdSSR zum Abschluss einer Konferenz in der finnischen Hauptstadt bereit erklärt, die Menschenrechte zu respektieren und ihre Überwachung von außen zuzulassen. Und jetzt machten die Initiatoren tatsächlich ernst damit. Schlimmer noch, sie hatten das Interesse westlicher Medien gewonnen. Journalisten konnten schrecklich lästig sein, und manche ließen sich einfach nicht auf Kurs bringen oder einschüchtern. Der Westen verehrte sie wie Halbgötter und erwartete, dass auch der Rest der Welt in Ehrfurcht vor ihnen erstarrte, obwohl man doch allenthalben wusste, dass es sich bei ihnen fast ausnahmslos um verkappte Spitzel handelte. Dass die amerikanische Regierung ihren Geheimdiensten ausdrücklich verboten hatte, auf journalistische Quellen zurückzugreifen, war geradezu lachhaft. Eine solche Zurückhaltung übte weltweit sonst kein anderer Geheimdienst. Und natürlich hielt man sich auch in Amerika nicht allzu streng an das besagte Verbot, das im Grunde ja auch
nur der Beruhigung des Auslands wegen ausgesprochen worden war – und um auf diese Weise sicherzustellen, dass die New York Times auch in Zukunft möglichst ungehindert schnüffeln konnte. Darüber rümpfte man nicht einmal mehr die Nase. Klar doch, alle Besucher der Sowjetunion waren Spione. Das wusste jedes Kind, und aus diesem Grund nahm auch sein Amt, das für Gegenspionage zuständige Zweite Hauptdirektorat, einen so großen Teil des KGB für sich in Anspruch.
    Nun, das Problem, das ihm in der vergangenen Nacht eine geschlagene Stunde Schlaf geraubt hatte, war ganz ähnlich gelagert, oder? Allerdings – wenn man’s genauer betrachtete, vielleicht doch nicht. Juri Wladimirowitsch drückte auf die Ruftaste seiner Sprechanlage.
    »Ja, Genosse Vorsitzender«, meldete sich unverzüglich sein Sekretär, natürlich ein Mann.
    »Schicken Sie Aleksei Nikolai’tsch in mein Büro.«
    »Jawohl, Genosse, sofort.«
    Vier Minuten später war Aleksei Nikolaiewitsch Roschdestwenski zur Stelle, ein Oberst, der in dem für Auslandsfragen zuständigen Ersten Hauptdirektorat seinen Dienst versah. Er war lange Zeit in Westeuropa als Agent tätig gewesen und hatte dann dank seiner außerordentlichen Erfahrungen und

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