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Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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unabhängiges Denken prinzipiell suspekt, und es gehörte sich schlichtweg nicht, die Partei in ihrer Weisheit in Frage zu stellen. Schon gar nicht hier, an seinem Arbeitsplatz. In der KGB-Kantine würde man nie und nimmer irgendeinen Kollegen laut die Frage stellen hören, ob denn der Partei und dem Land, dem sie diente, jemals ein Fehler unterlaufen könnten. Zugegeben, manchmal, wenn auch selten, wurde über einzelne politische Entscheidungen diskutiert, aber auch solche Gespräche hatten Grenzen, die höher und fester waren als die Ziegelmauern des Kreml.
    Die Moral des Landes, philosophierte Zaitzew im Stillen, war von einem in London lebenden deutschen Juden vorgeprägt worden und wurde schließlich kanonisiert durch den Sohn eines zaristischen Verwaltungsbeamten, der den Zaren nicht leiden konnte und dessen radikal gesinnter Bruder hingerichtet worden war, weil er sich gegen den Zaren aufgelehnt hatte. Dieser Mann mit Namen Lenin hatte in der Schweiz, dem kapitalistischsten aller Länder, Exil gefunden und war dann von den Deutschen nach Russland zurückbeordert worden, damit er die zaristische Regierung stürzte und den Deutschen den Rücken freihielt für ihre expansiven Pläne an der Westfront des Ersten Weltkriegs. Diese Geschichte hörte sich nun wahrhaftig nicht so an, als hätte ein Gott seine Hand im Spiel gehabt, um den Menschen zu helfen, oder? Lenins Modell zur Veränderung seines Landes – und endlich der ganzen Welt – war einem Buch von Karl Marx entlehnt, des Weiteren von einzelnen Schriften aus der Feder Friedrich Engels’ sowie der eigenen Vision und Ambition, das Oberhaupt einer ganz neu verfassten Nation zu werden.
    Der einzige Unterschied zwischen dem Marxismus-Leninismus und einer Religion bestand darin, dass dieser keinen Gott kannte. In
den wesentlichen Grundzügen aber waren sich beide ähnlich: Sie behaupteten beide absolute Autorität über die Belange der Menschen und einen allumfassenden Rechtsanspruch a priori. Allerdings machte die Herrschaft von Zaitzews Land ihre Autorität dadurch geltend, dass sie Macht über Leben und Tod ausübte.
    Seine Regierung sagte, dass sie für Gerechtigkeit eintrete, für das Wohl der Arbeiter und Bauern auf der ganzen Welt. Doch wer Arbeiter und Bauer wurde, entschieden einzelne Männer hoch oben in der Parteispitze, die ihrerseits in prunkvollen Datschas und Appartements wohnten, Autos hatten und Chauffeure … und Privilegien.
    Und was für Privilegien! Zaitzew hatte selbst schon Bestellungen für Strumpfhosen und Parfüms abgesetzt, die Vorgesetzte für ihre Frauen wünschten. Solche Luxusgüter wurden häufig in Diplomatentaschen aus den Botschaften westlicher Länder herbeigeschafft. Im eigenen Land ließen sich solche Dinge nicht herstellen, aber die Nomenklatura war scharf darauf, und zum Beispiel auch auf Kühlschränke und Küchenherde aus Westdeutschland. Wenn Zaitzew sah, wie sich die Großkopferten in ihren Luxuslimousinen durch die Straßen der Innenstadt chauffieren ließen, konnte er in etwa nachempfinden, was Lenin von den Zaren gehalten haben mochte. Die hatten zur Legitimation ihrer Herrschaft das Gottesgnadentum in Anspruch genommen. Dagegen behaupteten die Parteioberen, vom Volk auf ihre Posten berufen worden zu sein.
    Doch das Volk war nie gefragt, geschweige denn gehört worden. In den westlichen Demokratien gab es angeblich freie Wahlen – worüber die Prawda in aller Regelmäßigkeit Hohn und Spott ausschüttete. Aber immerhin hatte man dort die Möglichkeit, abzustimmen und seinen politischen Willen kundzutun. In England regierte eine griesgrämig aussehende Frau, in Amerika ein ältlicher, lächerlicher Schauspieler. Beide waren von den Stimmberechtigten ihrer Länder gewählt worden, und ihre Vorgänger mussten den Hut nehmen. Von beiden war in der Sowjetunion kein einziger gut gelitten. Zaitzew hatte schon viele Nachrichten verschickt, in denen verlangt wurde, einzelne Spitzenpolitiker aus dem Westen auf ihren Geisteszustand und ihre wahre politische Gesinnung hin zu überprüfen. Solche Anfragen zeugten von einer ernsten Besorgnis seitens seiner Auftraggeber, und auch Zaitzew hatte seine Bedenken.
Doch so abstoßend und unberechenbar manche dieser Regierungschefs auch sein mochten, sie waren immerhin von der Bevölkerung ihres Landes gewählt worden. Was die kommunistischen Fürsten vom Politbüro definitiv nicht von sich behaupten konnten.
    Und jetzt trachteten diese Fürsten danach, einen polnischen Priester in

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