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Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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sonst immer zu Mittag aß, waren schon wieder weg, und so saß er schließlich am Kopfende eines Tisches mit Leuten zusammen, von denen er niemanden kannte. Sie unterhielten sich über Fußball, doch er hing eigenen Gedanken nach. Der Eintopf war lecker, so auch das frisch gebackene Brot. Hier fehlte es an nichts, abgesehen von anständigem Besteck, das es nur in den privaten Essräumen in den oberen Etagen gab. Stattdessen musste man sich, wie alle anderen Sowjetbürger auch, mit Messern und Gabeln aus billigem Zinkaluminium begnügen. Weil sie viel zu leicht waren, lagen sie nicht gut in der Hand.
    Ich hatte also Recht, dachte er. Der Vorsitzende plant einen Anschlag auf den Papst. Zaitzew war kein religiöser Mensch. Er hatte in seinem ganzen Leben kein einziges Mal eine Kirche von innen gesehen, außer solchen, die während der Revolution in Museen umgebaut worden waren. Alles, was er über Religion wusste, war das in der Schule eingetrichterte Zitat, wonach sie das Opium des Volkes und darum abzulehnen sei. Unter seinen Klassenkameraden waren jedoch auch einige gewesen, die davon gesprochen hatten, dass sie an Gott glaubten. Es war ihm allerdings nie in den Sinn gekommen, sie bei den Lehrern anzuzeigen. Andere zu verpetzen, das war für ihn nicht drin. Im Übrigen dachte er über die großen Fragen des Lebens selbst kaum nach. In der Sowjetunion zählte ja auch nur das Gestern, Heute und Morgen. Die wirtschaftliche
Lage der einzelnen Bürger erlaubte keine längerfristigen Pläne. Es gab keine Landhäuser zu kaufen, keine Luxusautos, mit denen man liebäugeln, oder Reiseangebote, auf die man hinarbeiten konnte. Damit sich in der Bevölkerung das, was die Führung Sozialismus nannte, durchsetzen konnte, wurde von den Menschen erwartet, ja verlangt , dass sie, unabhängig von ihren individuellen Vorlieben, alle die gleichen Wünsche hatten. In der Praxis hatte dies zur Folge, dass man seinen Namen auf eine lange Liste setzen durfte und irgendwann benachrichtigt wurde, wenn der eigene Name an die Reihe kam. Und das konnte lange dauern, denn die Bonzen oder andere besser gestellte Personen gingen natürlich immer vor. Er, Zaitzew, lebte dagegen wie ein Ochse am Futtertrog, und das galt für die meisten seiner Landsleute auch. Für sie war leidlich gesorgt, sie bekamen immer das gleiche Essen und daran änderte sich nie etwas. Die Tristesse und Langeweile des Alltags waren kaum zu ertragen und wurden in seinem Fall nur dadurch etwas gemildert, dass er mitunter ein paar interessantere Botschaften zu vermitteln hatte. Eigentlich durfte er über solche Dinge gar nicht länger nachdenken, geschweige denn sie in Erinnerung behalten. Aber wie sollte sich so etwas verhindern lassen, insbesondere dann, wenn man mit solchen Gedanken stundenlang allein war und keine Zerstreuung hatte? Heute hatte er nur eines im Kopf, und das ließ sich nicht verdrängen. Es rannte wie ein Hamster in seinem Laufrad, der nicht von der Stelle kam.
    Andropow will den Papst umbringen.
    Es war nicht der erste Mordaufruf, den Zaitzew weiterzuleiten hatte. Der KGB verzichtete allerdings zunehmend auf solche Maßnahmen. Sie waren zu riskant. Die zu solchen Aktionen eingesetzten Agenten mochten noch so clever sein; sie hatten es vor Ort mit Polizisten zu tun, die nicht weniger clever waren und darüber hinaus so geduldig wie eine Spinne in ihrem Netz. Solange es dem KGB nicht gelang, seine Gegner per Voodoozauber oder Telepathie zu töten, würde es Zeugen und Indizien geben, durch die seine Agenten überführt werden konnten.
    Es kam sehr viel häufiger vor, dass Zaitzew Nachrichten zu übermitteln hatte, die auf Überläufer oder solche Informanten aufmerksam machten, von denen man annahm, dass sie die Fronten zu wechseln vorhatten oder, schlimmer noch, dass sie ein doppeltes
Spiel trieben und auch den Feind mit Informationen versorgten. Er hatte auch schon Beweise für solche Vorwürfe in Nachrichtenform weitergeleitet und Agenten, die im Verdacht standen, zu »Konsultationen« in die Zentrale zitieren müssen, aus der sie dann nie wieder in ihre Agenturen zurückgekehrt waren. Was mit ihnen tatsächlich passiert war, ließ sich nur erahnen. Es kursierten zu diesem Thema ein paar unschöne Geschichten, zum Beispiel die von einem abtrünnigen Offizier, der bei lebendigem Leib in den Ofen eines Krematoriums geschoben worden sein sollte. Zaitzew hatte gehört, dass es einen Film darüber gab, und er kannte Leute, die Leute kannten, die diesen Film

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