Reden macht Leute
allem als ungeübte Rednerin oder Redner nie natürlich, sondern meist ziemlich verkrampft und gehemmt.
Wenn man in der Öffentlichkeit redet, wird man in der Regel von diesen Normen geleitet. Das wäre nicht weiter schlimm, ja sogar von Vorteil, weil man darüber während des Redens nicht mehr nachdenken muss. Das Problem ist jedoch, dass manche Normen, die wir im Laufe unserer Kindheit und Jugend von Autoritätspersonen vermittelt bekommen haben, durchaus ihre Berechtigung haben. Andere hingegen hindern uns am freien Reden.
Wichtig: Man muss diese Normen auf ihre Brauchbarkeit hin überprüfen und jene, die man mit seinem Erwachsenen-Ich für gültig befunden hat, weiterhin beherzigen.
Vergessen kann man gelernte Normen zwar nicht, aber man kann sie außer Kraft setzen. Sie merken, man steht sich bisweilen mit einmal gelernten und verinnerlichten Verhaltensweisen und Ansprüchen selbst im Wege.
Oder um es mit Rainer Maria Rilke zu sagen: „Der, der ich bin, grüßt wehmütig den, der ich sein sollte.“
Welche Normen hat man für die Körpersprache gespeichert?
Schau die Leute an, wenn du mit ihnen redest!
Steh nicht da wie ein Fragezeichen!
Nimm die Hände aus den Taschen!
Fuchtle doch nicht so mit den Händen herum!
Suchen Sie den Blickkontakt zum Publikum
Die Norm „Schau die Leute an, wenn du mit ihnen redest“, ist richtig. Hörer, die Ihren Blick nicht spüren, fühlen sich auch nicht angesprochen. Der Blickkontakt ist notwendig, um Vertrauen herzustellen. Wenn jemand die Zuhörer beim Reden nicht anschaut, fragt man sich sofort: „Hat dieser Mensch etwas zu verbergen, oder warum traut er sich nicht, mir in die Augen zu schauen?“ Man weiß nämlich von sich selbst, dass man sich scheut, jemanden direkt anzuschauen, wenn man schwindelt oder ein schlechtes Gewissen hat.
Wenn Sie als Rednerin oder Redner vor Publikum stehen, ist der Blickkontakt als „Brücke“ besonders wichtig. Meist stellt sich jedoch in dieser Situation ein Gefühl des „Abgetrenntseins“ und des „Herausgehobenseins“ aus der Menge ein. Alle starren Sie erwartungsvoll, ja kritisch und misstrauisch an: „Was will denn dieser Mensch da vorne!“ Oder: „Na, mal sehn, ob die oder der es bringt!“ Doch gucken Sie als Zuhörerin oder Zuhörer anders? Versuchen Sie nicht auch, die Rednerin oder den Redner erst einmal einzuschätzen, wenn Sie sie oder ihn nicht kennen?
Es ist ganz natürlich, wenn Sie ein Publikum, das Sie zum ersten Mal erlebt, nicht mit Beifallsstürmen begrüßt. Diese ab- und einschätzenden Blicke verunsichern. Sie würden am liebsten zum Fenster hinausschauen, die Decke oder den Fußboden anblicken. Doch das wäre absolut falsch.
Praxis-Tipp:
Eine Rede ist kein Monolog , sondern ein latenter Dialog . Rede ist ein Gespräch, das Sie mit den Hörern führen, bei dem Sie für eine gewisse Zeit das Wort haben. Mit dieser Einstellung fällt es Ihnen leichter, Kontakt zu Ihrem Publikum zu bekommen. Denn jetzt müssen Sie nicht mehr in die Rolle einer „Rednerin“ bzw. eines „Redners“ schlüpfen, sondern können sich so verhalten, wie Sie sich auch sonst im Gespräch mit einer einzelnen Person verhalten würden.
Lassen Sie Ihren Blick nicht – wie in manchen Rhetoriklehrbüchern steht – in die Runde schweifen. Fangen Sie auch nicht auf einer Seite an, um dann, auf der anderen Seite angekommen, wieder Ihren Blick zurückwandern zu lassen; das wäre die ebenfalls wenig geeignete Methode „Scheibenwischer“.
Schauen Sie zuerst die Leute an. Ihr Ziel dabei ist, einen Menschen zu finden, den Sie sympathisch finden und der auch seinerseits ein gewisses Wohlwollen signalisiert. Zu diesem Menschen sprechen Sie zu Beginn so lange, bis Sie sich etwas sicherer fühlen. Erst dann sollten Sie den Blickkontakt wechseln, denn wenn Sie während Ihrer ganzen Rede nur zu einer Person schauen, empfindet das Ihr zunächst bevorzugter Ansprechpartner nicht unbedingt als wohltuend, sondern eher als aufdringlich. Übrigens ist mir aufgefallen, dass ich bei Männern viel häufiger einen fehlenden Blickkontakt bemängele als bei Frauen. Deshalb sollten Sie, meine Herren, ganz besonders darauf achten, Blickkontakt zu halten. Das fällt leichter, wenn Sie die Hörer ab und zu direkt ansprechen: „Wie Ihnen auffallen wird, …“
Beispiel:
Ich habe dies selbst während des Studiums im Rahmen einer Philosophievorlesung erlebt und fühlte mich als „Blickfang“ ziemlich unbehaglich. Ich hatte den Eindruck, der
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