Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
desertiert, wird massakriert. Auf Fahnenflucht steht die Todesstrafe. Ungehorsam wird mit dem Tod geahndet. Ich bin Gierschlund, Clunys Erster Rattenoffizier. Ihr werdet eurem Hauptmann aufs Wort gehorchen. Der wiederum bekommt seine Befehle von mir. Ich bekomme meine Befehle von Cluny, merkt euch das! Also, wenn jemand von euch, zwei oder auch ihr alle, wenn jemand versuchen will, sich gegen Cluny zu erheben und die Horde selbst anzuführen, dann sollte er es jetzt tun.«
Ohne Vorwarnung stürzte sich Cluny kopfüber mitten zwischen die neuen Rekruten, wobei er mit seinem Peitschenschwanz wie wild um sich schlug. Mit seiner übermächtigen Kraft stieß er sie auseinander und sie flogen in alle Richtungen. Mit gefletschten Zähnen und schlitzförmigem Auge peitschte er drauflos, bis sie zurückwichen, auseinander stoben und sich hinter Grabsteinen versteckten. Cluny warf seinen Kopf zurück und brüllte vor Lachen.
»Keinen Schneid, was? Ach, was solls! Tot nützt ihr mir sowieso nichts. Wenn eure Zeit gekommen ist, dann werde ich euch in einer richtigen Schlacht für mich kämpfen sehen und auch sterben, worauf ihr euch verlassen könnt. Also, erhebt nun eure Waffen und zeigt, ob ihr wisst, wer euer Herr ist.«
Über der kunterbunten Ansammlung Angst einflößender Gerätschaften erstrahlte ein wolkenloser Himmel, als die wilden Schreie der neu einberufenen Rekruten erschallten.
»Cluny, Cluny, Cluny die Geißel!«
9
Abt Mortimer und Konstanze die Dächsin spazierten zusammen durch die Gartenanlagen. Gedankenverloren folgten beide den verschlungenen Pfaden. Hätten sie ihre Gedanken laut ausgesprochen, dann hätten sie festgestellt, dass sie sich mit derselben Frage beschäftigten, nämlich der Sicherheit von Redwall.
Viele Jahre hindurch war die wunderschöne alte Abtei für alle Lebewesen ein Ort der Freude, des Friedens und der Zuflucht gewesen. Emsige Mäuse pflegten die ordentlichen kleinen Gemüsebeete, die zu jeder Jahreszeit frische Nahrung im Überfluss boten: Wirsing, Rosenkohl, Eierkürbisse, Rüben, Erbsen, Möhren, Tomaten, Salat und Zwiebeln, jedes Gemüse zu seiner Zeit. Die Mäuse hatten Beete mit den verschiedensten Blumen angelegt, von der Rose bis hin zum einfachen Gänseblümchen. Die zahlreichen Sommerblüten dufteten berauschend und ernährten das hart arbeitende Bienenvolk, das wiederum Honig und Bienenwachs in Redwall nie zur Neige gehen ließ.
Die beiden Freunde wanderten weiter am Teich vorbei. Das Sonnenlicht des frühen Morgens glitzerte auf der Wasseroberfläche. Wellen kräuselten sich, denn an den Angelschnüren, die Bruder Alf jeden Abend auswarf, zappelten Fische. Vor ihnen lagen die Himbeer-, Brombeer- und Blaubeerbüsche und auch das Erdbeerfeld, in dem sich jeden August aufs Neue die Kinder aus der Gegend tummelten und die schönsten Früchte in sich hineinstopften, bis ihre Bäuche voll waren. Langsamen Schrittes gingen sie um die großen, alten Kastanienbäume herum in den Obstgarten. Dies war das Lieblingsplätzchen des Abtes. Hier hatte er an sonnigen Nachmittagen so manch gemütliches Schläfchen gehalten und sich dabei den Duft reifender Früchte um seine Schnurrhaare wehen lassen: Äpfel, Birnen, Quitten, Pflaumen, sogar eine Rebe wilden Weins rankte an dem warmen roten Stein einer südwärts gelegenen Mauer empor. Der Segen der guten Mutter Natur lag über dieser Oase von warmer Freundlichkeit.
Jetzt, wo Cluny eine Bedrohung für Redwall darstellte, schätzten die zwei alten Freunde den prachtvollen Reichtum dieses Ortes, an dem sie ihr ganzes Leben verbringen durften, ganz besonders. Der süße Gesang der Vögel in der windstillen Luft erfüllte Konstanzes Herz mit Trauer und Schmerz darüber, dass dieses friedliche Leben schon bald ein Ende finden würde. Sie schniefte, räusperte sich umständlich und versuchte, die Tränen in ihren Augen fortzublinzeln. Der Abt spürte den Kummer seiner Gefährtin. Mit sanfter Pfote tätschelte er der Dächsin den rauen Pelz.
»Nun komm, komm schon, mein Mädchen. Mach dir keine Sorgen. In unserer Vergangenheit hat es schon so manches wundersame Ereignis gegeben, durch das drohendes Unheil von uns abgewendet wurde.«
Konstanze wollte ihrem vertrauensvollen alten Freund nicht allen Mut nehmen und so grunzte sie zustimmend. Tief in ihrem Innersten wusste sie jedoch, dass Unheil die Abtei zu überschatten drohte. Zudem geschah es jetzt, in der Gegenwart, und nicht in den längst vergangenen Zeiten legendärer
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