Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
Außenmauer und beobachteten die Straße. Es war Mittag und die Sonne stand direkt über ihnen. Trotz der Hitze hatte Matthias allen Mäusen aufgetragen, die Kapuzen aufzusetzen. Das erfüllte einen doppelten Zweck: Die Augen wurden von der Sonne abgeschirmt und die Mäuse waren getarnt. Mit einem kräftigen Stock bewaffnet, standen sie schweigend da. Die gewaltige Mauer aus rotem Sandstein war viel zu hoch, als dass sie von irgendeinem normalen Lebewesen hätte erklommen werden können. Matthias wusste, dass sie eine gute Verteidigung und ein hervorragendes Abschreckungsmittel in einem darstellte.
Konstanze spürte, wie ihre Nackenhaare sich aufstellten. Sie schnupperte die Luft und erschauerte trotz der Hitze, die in Wellen über die Wiesen flimmerte. Die große Dächsin stupste Matthias in die Seite.
»Hör dir das an.«
Matthias stellte seine Ohren auf und blickte sie fragend an.
»Selbst die Vögel haben aufgehört zu singen«, sagte Konstanze leise.
Der junge Mäuserich umklammerte seinen Stock noch fester. »Ja, man kann die Stille sogar hören. Selbst die Grashüpfer geben Ruhe.«
Konstanze blinzelte die Straße hinunter, während sie sprach. »Ist schon komisch an so einem Sommertag, junger Freund.«
Dong!
Alle, die auf dem Schutzwall standen, fuhren erschrocken zusammen, als die laute Stimme der Josefsglocke erschallte und Hans Kirchenmaus von hoch oben aus dem Glockenturm hinunterrief: »Sie kommen die Straße rauf! Ich kann sie sehen. Ich kann sie sehen!«
10
Als die Josefsglocke erschallte, kam Clunys Armee zum Stehen. Während die Staubwolke sich langsam legte, schaute Reißzahn Beifall heischend zu seinem Anführer auf.
»Die läuten schon wieder mit der großen Glocke, Käpten. Ha! Ha! Die denken vielleicht, dass sie uns damit verscheuchen können.«
Das Auge des Kriegsherrn richtete sich hasserfüllt auf seinen Kundschafter. »Halt die Klappe, Dummkopf. Wenn du getan hättest, was ich dir befohlen habe, und gleich zurückgekommen wärst wie Käseklau, dann wären wir jetzt schon in der Abtei!«
Reißzahn schlich sich wieder zurück ins Glied. Er hatte gehofft, Cluny hätte es vergessen, aber auf Kriegszug vergaß Cluny selten etwas.
Der Überraschungseffekt war hinüber: Jetzt musste Cluny es mit einer anderen Masche versuchen, der Demonstration seiner Macht. Allein der Anblick einer bis zu den Zähnen bewaffneten Horde hatte schon früher Wirkung gezeigt, und er zweifelte nicht daran, dass es auch jetzt funktionieren würde. Gewöhnliche, friedfertige Tiere wurden normalerweise von panischem Schrecken erfüllt, wenn sie Cluny die Geißel an der Spitze seiner Armee zu Gesicht bekamen. Der Rattengeneral war gerissen, wenn nicht gerade einer seiner blinden Wutanfälle von ihm Besitz ergriff, aber bei diesem Haufen alberner Mäuse war ein Amoklauf wohl kaum vonnöten.
Cluny wusste, dass Angst eine wichtige Waffe darstellte.
Und Cluny war eine beängstigende Erscheinung.
Sein langer, zerlumpter schwarzer Umhang bestand aus Fledermausflügeln und wurde an seinem Hals durch einen Maulwurfsschädel zusammengehalten. Er trug einen gewaltigen Kriegshelm, der mit Amselfedern und dem Geweih eines Hirschhornkäfers verziert war. Durch den Schlitz seines Visiers starrte er mit seinem einen Auge boshaft auf die vor ihm liegende Abtei.
Matthias’ schneidende Stimme erschallte klar und deutlich von der hohen Brustwehr: »Halt! Wer da?«
Gierschlund trat stolzen Schrittes vor und reagierte im Namen seines Käptens auf die Worte, indem er zur Mauer hinaufrief: »Schaut nur her, ihr da oben. Hier steht die mächtige Horde von Cluny der Geißel. Mein Name ist Gierschlund. Ich spreche im Namen von Cluny, unserem Anführer.«
Konstanzes Antwort klang barsch und furchtlos: »Dann sagt, was ihr zu sagen habt, und macht, dass ihr davonkommt, ihr Ratten.«
Es war totenstill, als Gierschlund und Cluny sich flüsternd berieten. Gierschlund wandte sich wieder der Mauer zu.
»Cluny die Geißel lässt ausrichten, er verhandelt nicht mit einem Dachs, sondern nur mit den Mäuseanführern. Lasst uns ein, damit mein Anführer mit eurem Anführer verhandeln kann.«
Gierschlund machte einen Satz zurück, als auf sein Gesuch hin ein Spottgeheul losbrach und einige Mauersteine von der Brustwehr geschleudert wurden. Diese plumpen, kleinen Mäuse waren wohl doch nicht so friedfertig, wie sie zunächst ausgesehen hatten.
Die Ratten blickten zu Cluny hinüber, aber der war damit beschäftigt, den Abt zu
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