Redwall 02 - Mossflower - In den Fängen der Wildkatze
Reichweite über einem warm aufsteigenden Luftstrom und versuchte mit seinem schwachen Augenlicht einen flüchtigen Blick auf den begehrten Marder zu erhaschen oder gar auf Zarina, die er aus tiefster Seele hasste. Das helle Sonnenlicht des Frühlings erwärmte seine Flügel, als er über der Festung seine Kreise zog.
Aschenbein duckte sich hinter seine Wildkatzenherrin, die dastand und wütend zu dem aufsteigenden Adler hinaufstarrte. »Schießt, ihr Trottel! Nicht nach da drüben, ihr Schwachschädel! Nach oben, seht ihr ihn denn nicht, er ist direkt über euren dämlichen Köpfen.«
Die Soldaten feuerten erfolglos weiter. Zarina packte ein ganz besonders langsames Frettchen beim Kragen und gab ihm ein paar kräftige Ohrfeigen. Dann stieß sie den aufgescheuchten armen Kerl zur Seite, ergriff seinen Bogen und legte einen Pfeil an die Sehne. Sie zielte sehr sorgfältig und hielt einen Moment lang inne, während der Adler sich im Gleitflug etwas tiefer fallen ließ. Geschwind ließ sie den spitzen Pfeil losschnellen, wobei die flugerprobten Schaftfedern laut zischten. Sehr zur Überraschung der Zuschauer schwenkte Argulor zur Seite und jagte dann hinter dem aufwärts steigenden Pfeil her. Es ging immer weiter hinauf, bis der Schaft seinen höchsten Punkt erreicht hatte. Der Adler wirbelte herum, packte den Pfeil mit seinen Krallen und zerbrach ihn voller Verachtung. Gekonnt sauste er wieder abwärts, bis seine Flughöhe so niedrig war, dass er Zarina eine Sekunde lang anstarren konnte. Schließlich peitschte er die Luft mit seinen gewaltigen Schwingenschlägen und flog davon in die blaue Unendlichkeit.
Zarina hätte ihre Wut an Aschenbein ausgelassen, aber der hatte sich ins Gebäude geflüchtet, als er gesehen hatte, wie der Adler zum Sturzflug ansetzte.
»Geht mir bloß aus den Augen, ihr nutzloser Haufen von Narren!«
Die Soldaten sausten in Windeseile hinter Aschenbein her, keiner von ihnen wollte Letzter sein. Zarina sah ganz so aus, als wolle sie an einem von ihnen ein Exempel statuieren.
Die Wildkatze blieb allein zurück und grübelte darüber nach, wo sie den gleichen rachsüchtigen, furchtlosen Blick schon einmal gesehen hatte. Bei dem Mäuserich, jetzt fiel es ihr wieder ein! Sie wusste nicht einmal mehr, wie er geheißen hatte; es war ja auch ganz egal, er hatte den Winter da unten im Verlies wahrscheinlich sowieso nicht überlebt.
Zarina beobachtete eine Gestalt, die verstohlen den Exerzierplatz überquerte, sich dabei immer wieder duckte, Haken schlug und sich im Schatten flach an den Boden drückte. Sie schnaubte verächtlich; es war nur Fortunata. »Hast du etwa Angst vor einem blinden alten Adler, Fähe?«
»Aber gnädige Zarina, ich bin lediglich den herunterprasselnden Pfeilen und Steinen Eurer Soldaten ausgewichen – da habt Ihr aber einen ganz vortrefflichen Schuss abgegeben!«, sagte Fortunata schmeichelnd. »Es ist jammerschade, dass der Adler den Pfeil mitten in der Luft gefangen hat.«
Die Fähe sprang blitzschnell zur Seite, als Zarina, die immer noch den Bogen des Frettchens hielt, einen Pfeil abfeuerte. Er landete genau dort, wo wenige Sekunden zuvor noch Fortunatas Pfote gewesen war.
Zarina legte erneut einen Pfeil an die Sehne und ihre Augen blitzten böse. »Na, dann wollen wir doch mal sehen, was du besser kannst, Füchsin – Pfeile fangen oder ins Haus flüchten; ich rate dir nur das eine: Halte deine Zunge in Zukunft im Zaum.«
Sie spannte die Sehne und gluckste boshaft, als sie sah, wie Fortunata hüpfend und springend das Weite suchte.
Die Königin der Tausend Augen hatte früher oder später in jedem Fall das letzte Wort.
Irgendetwas sauste ratternd durch das schlitzförmige Fenster zu Martin und Gonff herunter. Im Halbdunkel durchwühlten sie das Stroh, bis Gonff den Gegenstand schließlich gefunden hatte.
Martin konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. »Du meine Güte, ein Stock! Wie hilfreich. Mit einem Stock könnten wir diesen Ort natürlich einpfotig einnehmen. Da hat man uns aber wirklich einen äußerst nützlichen Gegenstand geschickt!«
Es war aber kein Stock. Gonff nahm gar keine Notiz von seinem Zellengefährten und machte sich stattdessen daran, den dünnen Draht abzuwickeln, mit dem das Borkenschriftstück um die schmale Klinge gewickelt worden war. Er rollte das Pergament auseinander und rückte näher zum Licht, um die darauf stehende Nachricht laut vorzulesen.
»Gonff,
hier ist dein Handwerkszeug. Verlasse Kotir bei Tagesanbruch
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