Redwall 02 - Mossflower - In den Fängen der Wildkatze
Stichler und seine Familie trauten sich lange nicht fortzulaufen. Sie wussten nicht wohin und müssen ja auch auf ihre Kleinen Rücksicht nehmen. Dann wurde es allerdings so schlimm, dass viele von ihnen das Risiko eingingen und aus der Siedlung flüchteten. Je weniger Anwohner da waren, desto mehr nahm Zarina den Verbleibenden ab. Ich sage dir, Kumpel, es ist eine traurige Geschichte.«
Sie saßen Seite an Seite und betrachteten das Licht des Sonnenstrahls auf dem Zellenboden. Martin reichte Gonff den Wein hinüber. »Was weißt du über den Wildkater, den sie Gingivere nennen?«
Gonff nahm einen Schluck Wein. »Ich weiß, dass er sich an den Bluttaten nie beteiligt hat. Die Waldbewohner hatten immer gehofft, dass Verdauga die Herrschaft auf ihn übertragen würde. Er ist zwar ein Wildkater, soll aber ein ganz anständiger Kerl sein. Wenn du dir seine Schwester Zarina dagegen anschaust, die ist durch und durch schlecht. Es heißt, sie sei noch viel grausamer als Verdauga. Bei meinen Besuchen in Kotir habe ich so manchen Klatsch und Tratsch mitbekommen, Kumpel – wusstest du, dass man sich erzählt, der alte Grünauge sei tot und sein Sohn hier im Gefängnis? Demnach müsste Zarina jetzt die neue Herrscherin sein.«
Martin nickte. »Das stimmt. Ich habe es mit eigenen Augen und Ohren mitbekommen. Gingivere sitzt in einer Zelle ganz weit unten in diesem Gang. Ich habe versucht mit ihm zu sprechen, aber es ist zu weit weg.« Der Mäusekrieger schlug verzweifelt mit seiner Pfote gegen die Wand. »Warum unternimmt niemand etwas, Gonff?«
Der Mäusedieb tippte sich an die Nase und sprach mit gedämpfter Stimme. »Sitz still und hör mir zu, Kumpel. Jetzt, wo die letzten Familien die Siedlung verlassen haben, sind wir dabei, Pläne zu schmieden. All die verstreuten Familien und Waldbewohner haben sich da draußen im Wald von Mossflower zusammengeschlossen. Sie finden langsam wieder zu ihrer alten Stärke zurück und geben sich nicht länger geschlagen. Wir werden von richtigen Kämpfern ausgebildet; neben Ottern und Eichhörnchen haben wir Igel und Maulwürfe und dann noch meinesgleichen. Es gibt sogar eine Dächsin bei uns, Bella von Brockhall. In der guten alten Zeit war es ihre Familie, die in Mossflower herrschte. Sie wird dir gefallen. Gemeinsam bilden wir den Rat aller Widerstandskämpfer in Mossflower – Rawim, verstehst du? Du nimmst einfach von jedem Wort den Anfangsbuchstaben. Ha, wir werden mit jedem Tag stärker!«
Martin spürte, wie die Lebensgeister in ihm wieder erwachten. »Glaubst du denn, der Rawim weiß, dass man uns hier gefangen hält? Wird er uns bei der Flucht helfen?«
Gonff grinste verschlagen und zwinkerte ihm zu. »Schschsch, nicht so laut, Kumpel. Warte ruhig ab, du wirst schon sehen.«
Er reichte Martin die Feldflasche mit dem Wein. »Sag mal, Kumpel, warum wirst du eigentlich Krieger genannt? Wo kommst du denn her? Hast du an einem Ort wie Mossflower gelebt? War es schön dort?«
Martin stellte den Wein beiseite, lehnte sich zurück und starrte an die Decke. »Wo ich herkomme, Gonff, da gibt es keine Wälder, nur Felsen, Gras und Hügelland. Ja, so ist das, ich komme nämlich aus dem Nordland. Meine Mutter habe ich nie kennen gelernt. Mein Vater hat mich aufgezogen, er hieß Lukas der Krieger – in meiner Familie hat es immer nur Krieger gegeben. Wir lebten in Höhlen, wurden ständig von landeinwärts streifenden Seerattenbanden angegriffen. Man war schlichtweg dazu gezwungen, seine Höhle und sein Stück Land zu verteidigen, wenn man nicht überrollt werden wollte. Es gab noch andere Familien wie unsere. Ich hatte viele Freunde – zum Beispiel Dragg den Starken, Pfeilschwanz, Felldoh den Ringer und Timballisto.«
Martin lächelte in der Erinnerung an seine Gefährten. »Ach, es war schon ganz in Ordnung, denke ich. Damals schienen wir eigentlich nur zu essen, zu schlafen und zu kämpfen. Sobald ich groß genug war, lernte ich das Schwert meines Vaters anzuheben und damit zu üben.«
Er berührte die zerbrochene Waffe, die er um seinen Hals trug. »So manch einem Feind habe ich mit dieser Schwertspitze eine Lektion erteilt – es waren Seeratten und auch Füchse, die sich als Söldner verdingten. Einmal wurde mein Vater so schwer verletzt, dass er in unserer Höhle bleiben musste. Ha, ich kann mich noch daran erinnern, wie ich den ganzen Sommer über die Feinde zurückschlug, während er am Eingang der Höhle lag, unser Essen zubereitete und mir gute Ratschläge zurief. Eines
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