Redwall 02 - Mossflower - In den Fängen der Wildkatze
warten, bis die anderen zurückkommen. Holt schon mal die Schalen von dem Bord herunter und deckt den Tisch für unsere Gäste. So ist es recht, macht euch nützlich.«
Eifrig bemühten sich die Waldbewohner der Aufforderung nachzukommen, dann setzten sie sich zu den Brüdern und Schwestern aus Loamhedge.
Bella erhob sich und umarmte die Äbtissin Germania. »Meine alte Freundin, als wir das letzte Mal miteinander speisten, hatten wir bei weitem nicht so viele Jahre auf dem Buckel.«
Die Äbtissin legte eine dünne, faltige Pfote auf Bellas weißen Arm. »Ja, ja. – Für die Jahreszeiten gibt es immer eine Wiedergeburt, aber wir werden leider immer älter, meine Freundin.«
»Du doch nicht, Germania«, kicherte Bella. »Du siehst so jung aus wie eh und je. Was gibt’s Neues aus Loamhedge?«
Die Äbtissin konnte nicht verhindern, dass ihr eine Träne auf das graue Schnurrhaar tropfte. »Loamhedge, ein Name voller Magie. Aber die glücklichen Zeiten sind vergangen wie Blätter im Wind. Hast du denn nicht von der großen Seuche gehört?«
Bella nickte. »Reisende haben mir davon erzählt, aber ich dachte, sie sei viel weiter im Süden aufgetreten. Ich habe doch nicht im Traum damit gerechnet, dass sie bis zu euch vorgedrungen sein könnte.«
Germania zitterte und schloss die Augen, als wolle sie die Erinnerung vertreiben. »Nur diejenigen, die du hier siehst, sind entkommen. Es war grauenhaft. Was immer von der Krankheit berührt wurde, verwelkte und starb, ich konnte nichts …«
Bella tätschelte die alte Maus sanft. »Nun komm, ist ja schon gut, du brauchst nicht mehr zu erzählen. Versuche es zu vergessen. Mein Heim wird von nun an auch das deine sein und das deiner Mäuse. Ihr könnt bei mir bleiben, solange ihr möchtet, und kommt nicht auf die Idee mir dafür zu danken – wenn ich ein Dach über dem Kopf gebraucht hätte, hättest du genau dasselbe für mich getan. Das war sogar schon einmal der Fall, und zwar vor vielen Jahren, als ich noch jung war und gern herumreiste.«
Die beiden alten Freundinnen gingen in die Küche und begannen mit den Essensvorbereitungen. Bella unterrichtete Germania von all den Ereignissen in Mossflower. »Es ist ein trauriger und unterdrückter Ort, zu dem ihr euch geflüchtet habt, wenn wir auch einst unter der Herrschaft von meinem Vater, Keiler dem Kämpfer, hier ein sehr glückliches Leben führten. In jener Zeit war ich noch jung. Eines Tages kehrte ich in Begleitung meines Gatten Borkenstreifen von meinen Wanderungen zurück. Wir hatten uns fern der Heimat im Südosten kennen gelernt und kamen nun zurück, um mit meinem Vater in Brockhall zu leben. Ich glaube, dass mein Vater diesen Moment bereits herbeigesehnt hatte. Meine Mutter hatte schon vor sehr langer Zeit das Tor zum Wald des ewigen Dunkels durchschritten; sie starb, als ich noch ein Junges war. Keiler der Kämpfer war mir zwar ein guter Vater, aber leider eine rastlose Seele. Er war seiner Aufgaben als Herrscher von Mossflower überdrüssig geworden und wollte sich auf Wanderschaft begeben, genau wie sein Vater, der alte Lord Brockbaum, vor ihm. Eines Tages verließ er diesen Ort und gab die Herrschaft an Borkenstreifen weiter. Das waren damals gute Jahreszeiten. Wir hatten ein Kind, einen kleinen Jungen, den wir Sonnenstrahl nannten, weil sein Streifen auf der Stirn so eine eigenartige goldene Färbung aufwies. Er war ein kräftiger kleiner Bursche.
Im Herbst jenes Jahres kamen die Wildkatzen. Verdauga und seine Brut nisteten sich in der alten Festungsruine ein. Es gab niemanden, der sich ihm in den Weg gestellt hätte, außerdem hatte er eine riesige Horde von boshaftem Ungeziefer im Schlepptau. Anfangs versuchten wir noch uns unserer Haut zu wehren, aber sie waren so grausam und gnadenlos, dass sie uns schließlich ganz und gar unterdrückten. Borkenstreifen war der Anführer eines groß angelegten Angriffs auf Kotir, wobei er, zusammen mit vielen anderen, erschlagen wurde. All jene, die sich nicht in den Wald von Mossflower flüchten konnten, wurden gefangen genommen und gingen langsam, aber sicher in Verdaugas Kerker zugrunde. Na ja, das geschah alles vor sehr langer Zeit. Wir haben inzwischen gelernt uns hier im dichten Wald vor Übergriffen zu schützen.«
Germania holte mit einem langen Schieber das Brot aus dem Ofen. »Wo ist dein Sohn Sonnenstrahl? Er muss inzwischen groß geworden sein.«
Bella, die damit beschäftigt war, das Brot zum Kühlen auszulegen, hielt inne. »Noch während ich vor
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