Regulator: Roman
Rinnsteinen. Es ist ein heißer Juli gewesen, ein perfekter, guter, alter himmelblauer Knüller von einem Juli, bei Gott, gar keine Frage, aber wenn du die Wahrheit wissen willst, es ist auch ein trockener Juli gewesen, kein Wasser, abgesehen von vereinzelten verirrten Spritzern aus Schläuchen, die jene Fetzen chinesischen Papiers in ihrer Ruhe gestört haben. Das könnte sich heute ändern; im Westen ist ab und zu Donnergrollen zu hören, und alle, die den Wetterkanal sehen (es gibt jede Menge Kabelfernsehen in der Poplar Street, da kannst du einen drauf lassen), wissen, daß für später mit Gewittern gerechnet wird. Möglicherweise mit einem Tornado, aber das ist unwahrscheinlich. Im Augenblick aber dreht sich alles nur um Wassermelonen und Kool Aid und Fehlschläge mit der Spitze des Schlägers; es ist ein Sommer, wie du ihn dir immer gewünscht hast, und noch mehr, hier im Zentrum der Vereinigten Staaten von Amerika, das Leben so gut, wie du es dir immer erträumt hast - Chevrolets parken in den Einfahrten, und in den Gefrierfächern der Kühlschränke warten Steaks nur darauf, im Garten auf den Grill geworfen zu werden, sobald es Abend wird (und wird es danach Apfelkuchen geben? Was meinst du?). Dies ist das Land der grünen Rasen und sorgfältig gepflegten Blumenrabatten; dies ist das Königreich Ohio, wo die Kinder ihre Mützen verkehrt herum tragen und ihre Träger-Shirts über ihre weiten Hosen hängen lassen und auf allen großen und ausgelatschten Turnschuhen das schwungvolle Nike-Signet zu prangen scheint. In dem Block der Poplar Street, der zwischen Bear Street auf dem Hügelkamm und Hyacinth an seinem Fuß liegt, gibt es elf Häuser und einen Laden. Bei dem Laden, der an der Ecke Poplar und Hyacinth gelegen ist, handelt es sich um den allseits beliebten, allerorts anzutreffenden US-Kramladen, wo man seine Zigaretten bekommt, sein Blatz oder Rolling Rock, seine Penny-Süßigkeiten (obwohl die heutzutage meistens zehn Cent kosten), sein Grillzubehör (Pappteller, Plastikbesteck, Taco-Chips, Eiskrem, Ketchup, Senf-Dressing), sein Eis am Stiel sowie eine große Auswahl Babbelwasser aus den besten Zutaten auf Erden. Im E-Z Stop 24 kann man sogar eine Ausgabe von Penthouse bekommen, wenn man will, aber man muß den Verkäufer fragen; im Königreich Ohio lassen sie die Busenmagazine fast überall unter dem Ladentisch. Und hey, das ist auch völlig in Ordnung so. Wichtig ist nur, daß man weiß, wo man eins bekommen kann, wenn man eins braucht. Die Verkäuferin von heute ist neu, hat den Job noch keine zwei Wochen, und im Augenblick, um 15:45 Uhr, bedient sie einen kleinen Jungen und ein Mädchen. Das Mädchen sieht aus, als wäre sie elf, und ist dabei, sich zu einer Schönheit zu entwickeln. Der Junge, eindeutig ihr kleiner Bruder, ist ungefähr sechs und dabei (jedenfalls nach Meinung der Verkäuferin), sich zu einer erstklassigen Rotznase zu entwickeln. »Ich will zwei Schokoriegel!« ruft Bruder Rotznase aus. »Wir haben nur noch Geld für einen, wenn wir beide eine Limo trinken wollen«, erklärt ihm Schwesterherz mit einer, wie die Verkäuferin findet, bewundernswerten Geduld. Wenn er ihr Bruder wäre, würde sie in Versuchung geraten, ihm einen Tritt in den Hintern zu geben, und zwar so tief, daß ihr Schuh drin steckenbliebe. »Mom hat dir heute morgen fünf Mäuse gegeben, das hab ich gesehen«, sagt Rotznase. »Wo ist der Rest geblieben, Marrrrrgrit?«
»Nenn mich nicht so, das hasse ich«, sagt das Mädchen. Sie hat langes, honigblondes Haar, das die Verkäuferin für absolut phänomenal hält. Das Haar der neuen Angestellten ist kurz und schrill, rechts orangefarben und links grün gefärbt. Sie ist ziemlich sicher, sie hätte den Job hier nicht bekommen, ohne die Tönung auszuwaschen, wenn der Geschäftsführer nicht absolut verzweifelt jemanden gesucht hätte, der von elf bis sieben arbeitet - ihr Glück, sein Pech. Er hatte ihr das Versprechen abgerungen, daß sie ein Kopftuch oder eine Baseballmütze über dem gefärbten Schöpf tragen würde, aber Versprechen waren da, um gebrochen zu werden. Nun, stellt sie fest, mustert Schwesterherz ihre Frisur ziemlich fasziniert.
»Margrit-Margrit-Margrit!« kräht der kleine Bruder mit der fröhlichen, vitalen Boshaftigkeit, wie sie nur kleine Brüder aufbringen können.
»Eigentlich heiße ich Ellen«, sagt das Mädchen mit der Haltung von jemandem, der ein großes Geheimnis verrät. »Margaret ist mein zweiter Vorname. Er nennt mich so, weil er
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