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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihm das anzutun!« schrie ich ihn an. »Hör augenblicklich auf!«
    Als dann der andere, der Nicht-Seth, wirklich wütend wird, scheinen sich seine braunen Augen schwarz zu verfärben. Dann richtete er den Blick auf mich, und plötzlich schnellte meine Hand in die Höhe, und ich schlug mir selbst ins Gesicht. So fest, daß mein Auge auf dieser Seite tränte. »Mach, daß er damit aufhört, Seth«, sagte ich. »Es ist nicht recht. Was auch immer nicht stimmt, wir sind nicht dafür verantwortlich. Wir wissen nicht mal, was es ist.« Zuerst keine Reaktion. Nur diese finstere Miene. Meine Hand schnellte wieder in die Höhe, doch dann veränderte sich sein haßerfüllter Blick auf mich ein wenig. Nicht sehr, aber genug. Meine Hand sank nach unten, Seth drehte sich um und sah in das offene Schränkchen über der Spüle, wo wir die Gläser stehen haben. Die meiner Mutter stehen auf dem obersten Fachboden, hübsches Waterford-Kristall, das ich nur an Feiertagen benütze. Jedenfalls standen sie da oben. Sie sind zerplatzt, als Seth sie angesehen hat, eines nach dem anderen, wie Tontauben auf dem Schießstand. Als alle kaputt waren, die elf verbliebenen, sah er mich mit diesem gemeinen, gönnerhaften Lächeln an, das er manchmal aufsetzt, wenn man ihm in die Quere kommt und er es einen büßen läßt. Seine Augen sind so schwarz und wirken irgendwie alt in dem kindlichen Gesicht. Ich fing an zu weinen. Ich konnte nicht anders. Nannte ihn einen bösen Jungen & sagte ihm, daß er fortgehen sollte. Da geriet das Lächeln ins Wanken. Er mag es nicht, wenn man ihm irgend etwas sagt, aber das am allerwenigsten. Ich dachte, er könnte mich wieder dazu bringen, mir selbst weh zu tun, aber dann stellte sich Herb vor mich und sagte ihm dasselbe, daß er fortgehen und sich beruhigen sollte, und daß er dann wiederkommen könne, damit wir ihm helfen konnten, in Ordnung zu bringen, was nicht mit ihm stimmte. 199
    Seth zog ab, und ich konnte, noch ehe er das Wohnzimmer durchquert hatte und bei der Treppe angelangt war, sehen, daß der andere entweder schon verschwunden war oder gerade im Begriff dazu. Seth hatte nicht mehr diesen abscheulichen steifen Gang. (Herb nennt ihn »Seths Rooty-der-Roboter-Gang.«) Später konnten wir ihn dann in seinem Zimmer weinen hören. Herb half mir, die Scherben wegzuräumen, während ich die ganze Zeit geheult habe wie eine Närrin. Er versuchte auch nicht, mich zu trösten oder mit einem seiner Witze aufzumuntern. Manchmal kann er sehr weise sein. Als wir fertig waren (keiner von uns hat sich geschnitten, was an sich schon an ein Wunder grenzt), sprach er das Offensichtliche aus, daß Seth nämlich etwas verloren hatte. Ich sagte, ohne Scheiß, Sherlock, wie bist du denn daraufgekommen? Dann fühlte ich mich mies, nahm ihn in die Arme und sagte, daß es mir leid tat, ich wollte nicht biestig sein. Herb sagte, das wüßte er, dann drehte er das dumme Baptistentraktat herum und schrieb auf die Rückseite: »Was sollen wir tun?«
    Ich schüttelte den Kopf. Häufig wagen wir nicht einmal mehr, etwas laut auszusprechen, weil wir fürchten, er könnte zuhören - der Nicht-Seth, meine ich. Herbie knüllte das Traktat zusammen & warf es in den Mülleimer, aber das genügte mir nicht. Ich holte es wieder heraus & riß es in Stücke. Aber vorher betrachtete ich das schwitzende, gequälte Gesicht auf dem Umschlag. WILLKOMMEN IN DER HÖLLE. Ist das Herb? Bin ich es? Ich will nein sagen, aber manchmal kommen wir uns vor wie in der Hölle. Eigentlich ziemlich oft. Weshalb sonst würde ich dieses Tagebuch führen?
    11. Juni 1995
     
    Seth schläft. Wahrscheinlich erschöpft. Herbie ist draußen im Garten und sucht überall. Obwohl ich glaube, daß Seth schon gesucht hat. Aber wenigstens wissen wir jetzt, was fehlt: der Dream Floater, einer seiner Power Wagons. Er besitzt die ganze MotoKops-Scheiße - Action-Figuren, HauptquartierKrisenzentrum, Cassies Party Pad, den Power Wagon Korral, zwei Strahlenpistolen, sogar »Schwebeplattform-Laken« für sein Bett. Aber mehr als das alles liebt er die Power Wagons. Das sind batteriebetriebene Lieferwagen, ziemlich groß, sehr futuristisch. Die meisten haben Flügel, die man ausfahren kann, indem man auf einen Knopf an der Unterseite drückt, und Radarschüsseln auf den Dächern, die sich wirklich drehen (die auf Cassie Styles'Dream Floater ist wie ein Valentinsherz geformt, und das nach schätzungsweise dreißig Jahren voller Diskussionen über Gleichberechtigung &

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