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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unnatürlichen Plumpheit mit einem häßlichen, kahlen Kopf. Es tappt um den Leichnam herum und sieht aus wie ein Gast, der das Büffet inspiziert, bevor er sich einen Teller holt, dann schnellt sein Kopf nach vorne, und er reißt der Frau fast die ganze Nase ab. Cynthia schließt die Augen und versucht sich einzureden, daß dies ein Traum ist, nur ein Traum. Es wäre schön, wenn sie es glauben könnte.
    Aus Audrey Wylers Tagebuch:
     
    10. Juni 1995
     
    Hatte Angst heute nacht. Solche Angst. In letzter Zeit ist es ruhig gewesen - mit Seih, meine ich -, aber jetzt hat sich alles verändert.
    Zuerst wußte keiner von uns, was nicht stimmt - Herb stand ebenso vor einem Rätsel wie ich. Wir gingen zu Milly's On The Square Eis essen, Teil unseres samstäglichen Rituals, wenn Seth »gut« ist (was bedeutet, wenn Seth Seth ist), und es ging ihm bestens. Als wir in die Einfahrt fuhren, hob er die Nase und begann mit diesem Schnüffeln, wie er es manchmal macht - er hebt irgendwie seine Nase in die Luft und schnuppert wie ein Hund. Ich hasse es, wenn er das macht, und Herb ebenso. Ich nehme an, so wie Farmer es hassen, wenn sie Sturmwarnungen im Radio hören. Ich habe gehört, daß die Eltern von Epileptikern lernen, nach ähnlichen Vorzeichen vor einem Anfall Ausschau zu halten ... zwanghaftes Kopfkratzen, Fluchen, sogar Nasebohren. Bei Seth ist es dieses Schnuppern. Aber es sind keine epileptischen Anfälle. Ich wünschte, es wären welche.
    Herb fragte ihn, was los sei, sobald er es sah, und bekam null Reaktion,-nicht einmal das übliche Ausstoßen von Vokalen. Dasselbe, als ich es versuchte. Keine Worte, nicht einmal Stammeln. Nur dieses Schnuppern. Und als wir im Haus waren, dieses Staksen - er ging von Zimmer zu Zimmer, als könnte er die Knie nicht beugen. Er ging nach hinten zum Sandkasten, er ging in sein Zimmer, er ging in den Keller, alles in geheimnisvollem Schweigen. Herb folgte ihm eine Zeitlang und fragte, was ihm fehlte, dann ließ er es sein. Als ich die Spülmaschine ausräumte, kam Herb herein und winkte mit einem religiösen Traktat, das er im Behälter für die Milchflaschen beim Seiteneingang gefunden hatte, und rief johlend: »Halleluja! Ja, Jesus!« Er ist ein guter Mann und versucht
    immer, mich aufzumuntern, obwohl ich weift, daß er sich selbst nicht besonders wohl fühlt. Seine Haut ist ganz blaß geworden, und mir macht angst, wieviel er abgenommen hat, hauptsächlich seit Januar oder so. Es müssen mindestens zwanzig Pfund sein, wenn nicht gar dreißig, aber wenn ich ihn danach frage, weicht er nur lachend aus. Wie auch immer, das Traktat war der übliche Baptistenquatsch. Der Umschlag zeigte das Bild eines Mannes in Qualen, die Zunge hing ihm heraus, Schweiß lief ihm über das Gesicht, und er hatte die Augen verdreht. STELLEN SIE SICH EINE MILLION JAHRE OHNE EINEN SCHLUCK WASSER VOR, stand über seinem Gesicht. Und darunter: WILLKOMMEN IN DER HÖLLE! Ich habe auf der Rückseite nachgesehen, und tatsächlich, es kam von der Zion's Covenant Baptistenkirche. Diese Bande aus Eider. »Schau her«, sagt Herb, »so sieht mein Dad aus, bevor er sich morgens die Haare kämmt.«
    Ich wollte lachen - ich weift, daß es ihn glücklich macht, wenn er mich zum Lachen bringt -, aber ich konnte es einfach nicht. Ich konnte Seth überall spüren; es kribbelte fast auf meiner Haut. Wie man manchmal spüren kann, wenn ein Sturm im Anzug ist.
    Genau in diesem Moment kam er hereingelaufen - herein gestakst -, und zwar mit diesem gräßlichen Stirnrunzeln, das er immer an den Tag legt, wenn etwas passiert, das nicht in seinen allgemeinen Ablauf des Lebens paßt. Aber das ist nicht er, das ist er nicht, Seth ist das süßeste, freundlichste, umgänglichste Kind, das ich mir vorstellen kann. Aber er hat diese andere Persönlichkeit, die wir immer häufiger sehen. Die mit den steifen Beinen. Die in die Luft schnuppert wie ein Hund. Herb fragte ihn, was nicht stimme, was in seinem Kopf vorgehe, und auf einmal hob er - Herb, meine ich - die Hand und zog an seiner Unterlippe. Zog sie heraus wie eine Jalousie und fing an, sie zu drehen. Bis sie blutete. Und die ganze Zeit tränten ihm seine armen Augen vor Schmerzen und traten aus den Höhlen vor Angst, und Seth starrte ihn mit dieser häßlichen Fratze an, die er ziehen kann, die sagt: »Ich mache, was 198
    ich will, und du kannst mich nicht dran hindern.« Vielleicht können wir das wirklich nicht, aber ich denke, daß Seth es kann - manchmal zumindest.
    »Hör auf,

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