Regulator: Roman
herausgeflogen. Die Wasserhähne der Spüle wurden aufgedreht. Angeblich kann die Geschirrspülmaschine nicht spülen, wenn die Tür offensteht, aber sie fing an zu spülen & Wasser lief über den ganzen Boden. Die Vase, die ich auf dem Fenstersims über der Spüle stehen habe, flog quer durch den Raum & zerschellte an der Wand. Am beängstigendsten war das mit dem Toaster. Der Toaster war eingeschaltet, ich wollte mir zwei Scheiben Toast zu meinem Orangensaft machen, & plötzlich leuchtete es rotglühend aus den Schlitzen, als wäre es ein Brennofen und kein kleines Küchengerät. Der Griff schnalzte hoch & der Toast flog bis zur Decke hinauf. Er war schwarz und rauchte. Sah radioaktiv aus. Die beiden Scheiben landeten in der Spüle und waren so heiß, daß sie unter dem fließenden Wasser zischten. Seth stand auf und ging aus der Küche. Mit seinem staksigen Gang. Herb und ich sahen einander nur eine oder zwei Sekünden an, & dann sagte er: »Mit etwas Erdnußbutter schmeckt der Toast wahrscheinlich noch ganz gut.« Zuerst habe ich ihn nur angestarrt, aber dann habe ich angefangen zu lachen. Da mußte er einstimmen. Wir haben die Köpfe auf den Küchentisch gelegt und gelacht & gelacht. Damit er nichts hört, nehme ich an, aber das ist albern, denn Seth muß nicht immer alles hören, um es zu wissen. Ich bin nicht sicher, ob er Gedanken lesen kann, aber irgend etwas in der Art ist es. Als ich mich schließlich wieder so weit unter Kontrolle hatte, daß ich aufschauen konnte, holte Herb den Mop, um unter der Spülmaschine aufzuwischen. Er kicherte immer noch und wischte sich die Augen ab. Gott sei Dank, daß ich ihn habe. Ich ging Kehrschaufel und Besen für die zertrümmerte Vase holen.
»Ich schätze, er hängt ziemlich an dem alten Dream Floater«, sagte Herb nur. Und weshalb sollte er mehr sagen? Das traf den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Jetzt ist es drei Uhr nachmittags, und wir haben das ganze Haus auf den Kopf gestellt, wie meine alte Schulfreundin Jan sagen würde. Auf seine eigene seltsame Art hat Seth zu helfen versucht. Es hat mir fast das Herz gebrochen, als ich gesehen habe, wie er die Sofakissen hochgehoben hat, als könnte sein verschwundener Lieferwagen da hinuntergerutscht sein wie eine Münze oder eine Pizzakruste. Herb fing voller Hoffnung an und sagte, der Wagen wäre zu groß & leuchtend, als daß man ihn übersehen könnte, & ich dachte, daß er recht hatte. Tatsächlich denke ich immer noch, daß er recht hatte, aber wieso konnten wir den Wagen dann nicht finden? Ich schreibe am Küchentisch und kann Herb auf Händen und Knien bei der Hecke hinten im Garten sehen, unter der er mit dem Stiel eines Rechens herumstochert. Ich würde ihm gerne sagen, daß er aufhören soll - es sucht schon zum drittenmal dort -, aber ich bringe es nicht übers Herz.
Geräusche oben. Seth erwacht von seinem Nickerchen, daher muß ich zum Ende kommen. Das Tagebuch verstecken. Und versuchen, nicht mehr daran zu denken. Was nicht weiter schlimm ist. Ich glaube, Seth kann Herbs Gedanken besser empfangen als meine. Einen Grund für diese Annahme habe ich nicht, aber das Gefühl ist ziemlich stark. Und ich habe sorgfältig darauf geachtet, Herb nicht zu sagen, daß ich ein Tagebuch führe.
Ich weiß, was alle sagen würden, die dieses Tagebuch lesen: Ihr seid verrückt. Verrückt, ihn bei euch zu behalten. Etwas stimmt nicht mit ihm, ganz und gar nicht, und wir wissen nicht, was es ist. Aber wir wissen, daß es gefährlich ist. Also warum behalten wir ihn? Warum machen wir weiter? Genau weiß ich es nicht. Weil wir ihn lieben? Weil er uns kontrolliert? Nein. Manchmal kommt es zu solchen Zwischenfällen (wenn Herb sich die Lippe herumdreht oder ich mich selbst schlage), zu so etwas wie starker Hypnose, aber nicht oft. Meistens ist er nur Seth, ein Kind, das in seinem eigenen Verstand gefangen ist. Außerdem ist er das letzte bißchen, das von meinem Bruder übriggeblieben ist.
Aber auf jeden Fall steht hinter alledem (und darüber, und darunter, und drumherum) nur die Liebe. Und jeden Abend, wenn Herb und ich uns schlafen legen, sehe ich in seinen Augen, was er in meinen sehen muß - daß wir wieder einen Tag überstanden haben, & wenn wir es heute geschafft haben, können wir es morgen auch schaffen. Abends ist es einfach, sich einzureden, daß alles nur ein Aspekt von Seths Autismus ist, wirklich keine große Sache.
Schritte oben. Er geht ins Bad. Wenn er fertig ist, wird er runterkommen und hoffen, daß wir
Weitere Kostenlose Bücher