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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wie bei dem Vogel mit den unterschiedlichen Flügeln - verliehen ihnen ein surrealistisches Aussehen, das ihm Kopfschmerzen bereitete. Als würde man etwas ansehen, das einfach nicht klar und deutlich werden wollte.
    Er sieht wirklich ein bißchen wie ein Geier aus, hatte der alte Doc gesagt. Jedenfalls wie ein Kind einen malen würde. Im Geiste fügte sich allmählich alles für ihn zusammen. Es paßte nicht zusammen, noch lange nicht, aber langsam kristallisierte sich etwas heraus, das sie damals im Algebraunterricht eine Reihe genannt hatten. Die Lieferwagen, die wie Requisiten aus einer Kindersendung am Samstagvormittag aussahen. Der Vogel. Jetzt diese giftgrünen Kakteen, die der Phantasie eines Erstkläßlers entsprungen zu sein schienen.
    Collie näherte sich dem, der am dichtesten beim Weg wuchs, und streckte zögernd einen Finger aus. »Mann, lassen Sie das, Sie sind verrückt«, sagte Steve. Collie achtete nicht auf ihn. Streckte den Finger weiter aus. Weiter. Und noch weiter, bis - »Autsch! Du Aas!«
    Steve zuckte zusammen. Collie zog die Hand ruckartig zurück und betrachtete sie wie ein Kind eine interessante neue Schramme. Dann drehte er sich zu Steve um und hielt ihm die Hand hin. Ein Blutstropfen, klein und dunkel und perfekt, bildete sich auf der Kuppe des Zeigefingers. »Sie sind so echt, daß sie stechen«, sagte er. »Jedenfalls dieser hier.«
    »Klar. Und wenn er Sie nun vergiftet hat? Wie etwas aus dem Kongobecken, oder so?«
    Collie zuckte die Achseln, als wollte er sagen, zu spät, Kumpel, und stapfte weiter den Weg entlang. Der führte an dieser Stelle nach Süden, Richtung Hyacinth. Da das rötlichorangefarbene Sonnenlicht von rechts durch die Bäume schimmerte, konnte man sich wenigstens nicht verirren. Sie gingen bergab. Je weiter sie gingen, desto mehr mißgestaltete Kakteen sah Steve im Wald östlich des Wegs. An manchen Stellen verdeckten sie sogar die Bäume. Das Unterholz wurde dünner, und das aus gutem Grund: Die Krume des Mutterbodens wurde ebenfalls flacher und wich einem grauen, körnigen Sandbett, das aussah wie ... wie ... Schweiß lief Steve stechend in die Augen. Er wischte ihn weg. So heiß, das Licht so kräftig und rot. Ihm war übel. »Sehen Sie.« Collie zeigte nach vorn. Zwanzig Meter vor ihnen bewachte eine weitere Ansammlung Kakteen eine Gabelung im Weg. Ein umgestürzter Einkaufswagen ragte zwischen ihnen hervor wie der Bug eines Schiffes. Im düsteren Licht sah das Metallgestänge des Wagens aus wie in Blut getaucht.
    Collie lief zu der Biegung hinab. Steve beeilte sich, um Schritt zu halten, da er nicht mal ein paar Meter von dem anderen getrennt werden wollte. Als Collie die Gabelung erreichte, schwoll in der seltsamen Luft ein Heulen an, scharf und doch ekelhaft melodisch, wie bei der Probe eines dilettantischen Männerquartetts: Wuuuuh! Wuuuuh! Wu-hu-huuuu! Nach einer Pause ertönte es wieder, diesmal mehrstimmig, kläffend und durcheinander, so daß Steve am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam. Meine Kinder der Nacht, dachte er und sah Bela Lugosi vor seinem geistigen Auge, eine Spukgestalt in Schwarzweiß, wie er seinen Mantel ausbreitete. Unter den gegebenen Umständen vielleicht nicht das tröstlichste Bild, aber manchmal ging der Verstand eben eigene Wege.
    »Herrgott!« sagte Collie, und Steve dachte, er meinte das Heulen - Kojoten heulten irgendwo östlich von ihnen, wo sich angeblich Häuser und Geschäfte und fünf verschiedene McBurger-Restaurants befinden sollten -, aber der große Cop sah nicht in die Richtung. Er schaute nach unten. Steve folgte seinem Blick und sah einen Mann neben dem gestrandeten Einkaufswagen sitzen. Er lehnte an dem Kaktus und war von den Stacheln aufgespießt wie ein grotesker menschlicher Merkzettel, der hier zurückgelassen worden war, damit sie ihn fanden.
    Wu-hu-huuuu...
    Steve streckte ohne nachzudenken den Arm aus und tastete nach der Hand des Cops. Collie spürte die Berührung und erwiderte sie. Es war ein fester Griff, aber das störte Steve nicht.
    »O Scheiße, ich hab den Kerl schon mal gesehen«, sagte Collie.
    »Wie, in Gottes Namen, können Sie das wissen?« fragte Steve.
    »Wegen seiner Kleidung. Seinem Einkaufswagen. Seit Sommeranfang hat er sich zwei- oder dreimal auf der Straße rumgetrieben. Ich wollte ihn wegjagen, sollte ich ihn noch einmal sehen. Wahrscheinlich harmlos, aber -« »Aber was?« Steve, der selbst ein- oder zweimal in seinem Leben auf der Walze gewesen war, wußte nicht, ob er

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