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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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seine Hände fühlten sich wie zwei Holzklötze an, und das Gewehr schien winzig und unzulänglich zu sein. Die Augen (sie schwebten wie Augen in einem dunklen Raum im Comic Strip) schienen so groß wie Fußbälle zu sein, und er wollte gar nicht wissen, wie groß das Tier sein mochte, zu dem sie gehörten. »Können wir es töten?« fragte er. »Wenn es uns angreift, glauben Sie -«
    »Sehen Sie sich um!« unterbrach ihn Collie. »Sehen Sie, was passiert!«
    Er gehorchte. Die grüne Welt entfernte sich von ihnen, die Wüste rückte vor. Die Flora unter ihren Füßen wurde zuerst blaß, als hätte jemand den ganzen Saft herausgesaugt, dann verschwand sie, während die dunkle, feuchte Erde ausbleichte und körnig wurde. Perlen. Das hatte er vor ein paar Augenblicken gedacht, als die Krume dieser merkwürdigen runden, perlenartigen Substanz gewichen war. Rechts von ihm wurde einer der verkümmerten Bäume plötzlich schlagartig praller. Der Vorgang wurde von einem Geräusch begleitet, als würde man sich den Finger in den Mund stecken und herausploppen lassen. Der blasse Stamm des Baums wurde grün, Stacheln wuchsen an ihm. Die Äste vereinigten sich fließend, die Farbe in den Blättern schien sich auszubreiten und zu verschwimmen, als sie zu Kaktusarmen wurden.
    »Wissen Sie, ich glaube, es wäre an der Zeit, den Rückzug anzutreten«, sagte Collie.
    Steve schenkte sich eine Antwort; statt dessen antwortete er mit den Füßen. Einen Augenblick später rannten sie auf dem Weg zurück, den sie gekommen waren, zu der Stelle, wo sie ihn betreten hatten. Anfangs drehten sich Steves Gedanken nur darum zu vermeiden, daß ihm ein Zweig in die Augen geriet, er in einen Dornbusch lief oder an den beiden weggeworfenen Batterien vorbeirannte, wo sie scharf nach Westen abbiegen und zu Billingsleys Tor sprinten wollten. Dann hörte er das hustende Fauchen wieder, und alles andere verblaßte zur Bedeutungslosigkeit. Das Ding war nahe. Die Bestie mit den grünen Augen aus der Schlucht folgte ihnen. Verdammt, jagte sie. Und kam immer näher.
2
    Ein Schuß ertönte, und Peter Jackson drehte langsam den Kopf in seine Richtung. Er merkte (sofern er überhaupt noch etwas bemerken konnte), daß er an der Grenze seines Gartens stand und den Tisch auf der Veranda betrachtete (sofern er überhaupt noch etwas betrachten konnte). Auf dem Tisch lagen ein Stapel Bücher und Zeitschriften, die meisten mit leuchtend rosa Markierzetteln. Er hatte an einem wissenschaftlichen Artikel mit dem Titel »James Dickey und die neue Realität des Südens« gearbeitet und sich in der Vorfreude gesonnt, daß der Essay in gewissen efeuumrankten Landsitzen eine ziemlich ernste Kontroverse auslösen würde. Möglicherweise würde er zu Podiumsdiskussionen an anderen Colleges eingeladen werden! Podiumsdiskussionen, zu denen er auf Spesenkonto anreisen würde! (Selbstverständlich in vernünftigen Grenzen.) Wie er davon geträumt hatte. Jetzt kam es ihm fern und unbedeutend vor. Wie der Schuß aus dem Wald, und der anschließende Schrei, und die beiden Schüsse nach dem Schrei. Selbst das Fauchen - wie von einem Tiger, der aus dem Zoo entkommen war und sich in ihrem Grüngürtel versteckt hatte - schien fern und unwichtig zu sein. Wichtig war nur ... war nur ...
    »Meinen Freund finden«, sagte er. »Zu der Gabelung des Weges gehen und mich mit meinem Freund hinsetzen.« Er überquerte die Veranda diagonal und stieß dabei mit der Hüfte an den Tisch. Eine Ausgabe von Verse Georgia und mehrere seiner Handbücher fielen von dem Stapel und landeten auf den schmuddeligen rosa Fliesen. Peter achtete nicht darauf. Sein sterbender Blick war auf das Wäldchen gerichtet, das hinter den Häusern auf der Ostseite der Poplar Street verlief. Sein Interesse an Fußnoten, das ihn fast sein ganzes Leben lang begleitet hatte, hatte ihn im Stich gelassen.
3
    Als es geschah, sprach Jan nicht gerade von Ray Soames; sie fragte sich nur, warum Gott eine Welt geschaffen hatte, wo man nicht anders konnte, als von einem Mann geküßt und angefaßt zu werden, der häufig - verdammt, meistens! - schmutzige Knöchel hatte und sich das Haar etwa viermal im Monat wusch. Das heißt, wenn es ein guter Monat war. Also redete sie in Wirklichkeit doch über Ray Soames, nur den Namen verschwieg sie.
    Und zum erstenmal, seit sie hierher gekommen war, hierher gerannt war, verspürte Audrey einen Anflug von Ungeduld, die ersten zarten Regungen, daß sie ihrer Freundin überdrüssig wurde. Es schien,

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