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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Olga wiederkommen sehen, schwerbeladen mit Pa keten, und gehört, wie sie sich kaputt- lachten. In dem Moment habe ich kapiert. Da habe ich ent deckt, mit was für Leuten sie verkehrten. Man brauchte sich nur den Stil anzusehen, für den sie sich entschieden hatten.
    Ich habe sie gefragt, was diese Stöckel- schuhe, diese Armreifen und diese verrückten Netzstrümp fe sollten, und wieso sie ausgerechnet mit einem Haufen von alten Knackern herummachten, die alle auf die Sechzig zugingen und sich an Viagra und Ma rt ini-Gin hochzogen. Typen mit falschen Zäh nen, Calvin-Klein-Unterhosen und Reisen auf tropische Inseln. »Aber in Vier-Sterne-Hotels«, ent gegnete Olga darauf und blickte mich verächtlich an. »In Vier-Sterne-Hotels, du kleiner Scheißer.«
    Es ist dunkel geworden. Meine Mu tt er steckt noch eine letzte Nadel in ihren Knoten und fragt mich, ob das so geht, ob das auch ihren Nacken zur Geltung bringt. Sie ist ein bißchen nervös. Sie fürchtet, daß ich ihr den Abend verderben könne. Ich hocke auf einem Sitzkissen und lasse den Kopf hängen. Doch eigentlich ist sie gar nicht so unzu frieden.
    »Ich habe große Lust, sie anzurufen«, sagt sie zu mir. »Ich möchte, daß sich die Sache klärt.«
    Ich springe mit einem Satz auf, ohne etwas dar auf zu erwidern, und stelle mich vors Fenster, um nach draußen zu blicken. Ich tue, was ich kann mit Utte, tue alles, damit es läuft, aber ich spüre, wie mir die Sache über den Kopf wächst. Vor ein paar Minuten habe ich sie entwaffnet, als sie mit einer Bratpfanne auf mich einschlagen wollte. Die bei den hassen sich. Anfangs mochten sie sich gern, aber jetzt hassen sie sich. Ich presse die Stirn gegen die eisige Fensterscheibe.
    »lch kann wirklich nichts dafür«, fährt sie fort, wobei sie ihr Make-up ein wenig überpudert. »Ich hoffe, du hast nicht versucht, mir die Sache in die Schuhe zu schieben. Das hast du doch wohl nicht, oder?«
    Ich gehe in mein früheres Zimmer, um mich ei nen Augenblick aufs Bett zu legen, und warte, daß sie mir das Zeichen zum Aufbruch gib t. Ich stu diere alle Unregelmäßigkeiten an der Zimmerdeck e und finde dabei schließlich ein wenig von dem Seelenfrieden eines Mannes wieder, der sich in ver trauter Umgebung befindet. Bevor ich auszog, hat te ich fünf Jahre lang alle meine Nächte in diesem Zimmer verbracht. Meine Mutter war jeden Abend heimgekehrt. Ich verschränke die Hände hinter dem Kopf und betrachte mich. Ich liege barfuß, mit nacktem Oberkörper und halb geöffnetem Hosenschlitz auf ein paar Kissen. Es ist eine Re klame für ein Parfüm. Ich blicke mit leicht gereiz ter Miene in die Kamera. Dieses Foto hat mir ermöglicht, drei Monate lang die Miete zu bezahlen. Ich nehme an, daß meine Mutter es deshalb behält.
    Als sie fettig ist, werfe ich ihr wortlos einen Blick zu.
    Im Auto sagt sie zu mir: »Ich rate dir, mich nicht zu nerven.«
    Wir halten an einer Ampel. Die Fußgänger ge hen gebeugt und mit flatterndem Schal über die Straße, die Gesichter sind nicht zu erkennen. Die Leuchtreklame einer Apotheke zeigt -2 O an, dann das Datum und schließlich die Uhrzeit. Ich entgeg ne ihr, sie brauche sich nur anständig zu benehmen und betrachte dabei die Baumwipfel, die fast mit der Dunkelheit ver- schmelzen.
    »Was soll denn das heißen?« fragt sie.
    »Was das heißen soll? Was glaubst du wohl, was das heißen soll?«
    Ich fahre mit quietschenden Reifen an. Wenn ich's mir recht überlege, ist das heute eine Premie re. Ich habe meine Freunde, und sie hat ihre, und daher ist es eine Premiere, daß Mutter und Sohn gegen neun Uhr abends gemeinsam unterwegs sind und dasselbe Ziel ansteuern, wobei sich der Boden, auf dem wir uns bewegen, jederzeit von den zahlreichen unter der Oberfläche schwelenden Konflikten in ein Minenfeld voller Krater verwandeln kann. Aber ich bin bereit, den Preis dafür zu zah len. Ich habe die ganze Woche wie auf heißen Kohlen gesessen, wegen dieses Mädchens.
    Ich nehme an, daß Uttes ausgesprochen düstere Laune in den letzten Tagen darauf zurück- zufüh ren ist, daß ich völlig abwesend wirke und unfähig bin, mir dieses Mädchen und all die Fragen aus dem Kopf zu schlagen, die ich mir über sie und vor allem über mich selbst stelle, da ich in solchen Dingen keine allzu große Erfahrung habe.
    »Was ist denn bloß los mit dir? Was hast du?« fragt mich Utte und geht in unserem kleinen Zimmer auf und ab. Ich weiß, daß ich sie bloß an mich zu ziehen und zu vögeln bräuchte, um un-

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