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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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gescho ren davonzukommen, daß ich sie bloß wie eine Blinde an die Hand zu nehmen und ihr zu bewei sen bräuchte, daß sie nur Stuß redet, aber ich tue es nicht. Statt dessen beschließe ich, Crepes für sie zu backen.
    Was absolut nichts nützt. Wir verstehen uns im Moment nicht sehr gut. Vielleicht liegt es an mir. Vielleicht bin ich für diese Art von Erfahrung nicht reif genug. Vielleicht war es nicht die richtige Lösung. Auf jeden Fall will sie von meinen Crepes nichts wissen. Sie zerrt mich an den Haaren und schüttelt mich heftig. Aber was soll ich ihr denn sagen? Ich kapiere doch selbst nichts mehr, was soll ich ihr da sagen? Bevor sie mich kennenlernte, war sie mit einem Schauspieler zusammen, aber bei ihm wüßte man wenigstens, daß es an seinen Ambitio nen liege, erklärte sie, aber ich, was suche ich eigentlich, was wolle ich genau? Sie versuchte mein Schweigen zu deuten, unterstellte mir Hintergedanken, die ich nicht hatte, und wenn ich mich nicht eifrig genug um sie bemühte oder nicht schnell genug wieder einen Steifen hatte, bekam ich ein paar Anspielungen auf meinen Job zu hören, mit all den Typen, die da um mich herumstrichen, sei ich vielleicht dabei, ins andere Lager hinüber- zuwechseln.
    Als die Stadt hinter uns liegt, schlägt meine Mutter vor, an der Küste entlangzufahren. In Gegenrichtung herrscht starker Verkehr, vollbesetzte Autos, ganze Horden trotzen der Dunkelheit und den nicht befestigten Randstreifen und steuern, angezogen von den Lichtern, das Zentrum an, mit der festen Absicht, ordentlich einen draufzu- machen, ehe ihnen das Dach auf den Kopf fällt. Auf der ei nen Seite liegt der Ozean, und auf der anderen er strecken sich über einen Kilometer ununterbro chen Restaurants, Läden, Tankstellen, beleuchtete Schaufenster.
    Meine Mutter braucht Zigaretten. Ich halte auf einem Parkplatz, und sie kommt mit Flaschen beladen zurück. »Ich habe dir Bier mitgebracht«, sagt sie zu mir.
    Als ich sie wiedersehe, bin ich zutiefst enttäuscht. Ich finde sie total unattraktiv. Ich frage mich, ob ich nicht ihre Zwillingsschwester vor mir habe, einen blassen Abklatsch. Frage mich, ob ich nicht neulich einer Halluzination zum Opfer gefallen bin oder ob mich nicht in dem Augenblick, als ich
    Roger mein Glas an den Kopf schleudern wollte, ein Blitz geblendet hat.
    Ich schüttle ihr die Hand. Sie senkt die Augen. Mit einem breiten Lächeln legt Roger uns beiden den Arm um die Schultern. Er trägt ein offenes Hemd mit einem Halstuch, das aus Seide sein könnte, ist frisch rasiert, parfümiert und freut sich, uns zu sehen, er ist überzeugt, daß das Mädchen und ich schon bald ganz dick befreundet sein werden, endlich hätten wir jemanden, mit dem wir uns unterhalten könnten, unter Gleichaltrigen, fügt er hinzu, fügt jedoch nicht hinzu, auf diese Weise haben wir euch nicht ständig auf der Pelle, aber das steht ihm deutlich auf der Stirn geschrieben. Plötzlich habe ich Lust, an diesem Abend kräftig auf den Putz zu hauen.
    Sie heißt Cecilia. Damit geht's schon los. Wie kann man nur Cecilia heißen? Abartig! Sie folgt mir ans Büffet, und schon kann ich sie nicht mehr ausstehen. Unterdessen füllt sich das Haus, Autos halten auf dem Bürgersteig, Türen schlagen zu, im Hausflur umarmt man sich, Mäntel werden an die Garderobe gehängt, und da sie den Blick nicht von mir wendet und ich beschlossen ha- be, eins von diesen Dingern zu verschlingen, frage ich sie, ob sie die zubereitet habe, diese Kanapees. Irgend et was muß man ja sagen.
     
    Ich erkenne ein paar Gesichter wieder. Bei meh reren von diesen Leuten habe ich meine Mutter schon mal abgeholt, und ich stelle vor allem fest, daß sie bedeutend frischer aussehen als in den frühen Morgenstunden, ihre Klamotten nicht zer knittert sind, ihre Frisur in Ordnung ist und sie sich noch auf den Beinen halten können. Es sind etwa zwanzig Personen, und alle reden durcheinander, sie stehen mitten im Raum, erzählen, was sie in der vergangenen Woche erlebt haben, ob ihre Behandlung Erfolg verspricht und was so ganz all gemein in der Welt vor sich geht, ob wir nicht in die Zeit der Religionskriege zurückversetzt worden sind oder wieder vor einer Krise stehen wie 1929. Ein Paar hat Pralinen mitgebracht – der Typ hatte außerdem zwei Flaschen in den Manteltaschen. Ein anderes Paar hat Frühlingsrollen mitgebracht und ein weiteres eine Compilation mit Dean Martins größten Hits, die Olga sogleich auflegt, wobei sie die Hülle mit der Miene einer

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