Reibereien
roß in die Schlacht preschte.
Ein paar Tage vor der Feier stand ich kurz vor einer Katatonie und wollte niemanden mehr sehen. Schließlich öffnete ich die Fenster, sah die grünen Bäume und hörte die Vögel singen. Dann rief ich Lili an und sagte ihr, ich hätte nach- gedacht und wolle sie nicht mehr anschnauzen, mich nicht mehr mit ihr in die Wolle kriegen und nicht mehr ihre Entschlüsse kritisieren.
Denn es wurde Frühling.
Vor der Hochzeit hatten Dimitris Vater und ich ein Gespräch über die finanzielle Unter- stützung, die wir dem jungen Paar gewähren wollten.
»Was lungerst du hier rum?« rief er seiner Frau zu, wenn sie in unsere Nähe kam. »Siehst du denn nicht, daß wir etwas zu besprechen haben?«
Sie schien den ganzen Tag damit zu verbringen, den Garten zu harken oder die Möbel zu polieren. Bis ich eines Tages zu ihr sagte: »Warum lassen Sie sich nur so behandeln?«
Sie war eine Frau um die Vierzig, die ständig die Augen senkte.
»Er ist nicht immer so gewesen«, meinte sie.
Ich sah ihn noch, wie er mit wasserstoffblondem Haar seine Gitarre auf dem Boden zertrümmerte. Ich war empört. Daß er so ein jähzorniger Scheißbeamtentyp geworden war, der seine Frau tyranni sierte, empörte mich zutiefst. Ich fühlte mich von den Diablos verraten, von ihrem Bandleader in seinem Ralph-Lauren-Sweatshirt lächerlich gemacht, weil aus ihm so ein Jammerlappen geworden war.
Ich hatte ein Poster von ihm über meinem Bett hängen gehabt und ihre Musik von morgens bis abends gehört. Wenn meine Mutter in mein Zim mer kam, hielt sie sich die Ohren zu. Sie kam und ging, wie es ihr paßte. Ich konnte ihr noch so oft sagen, sie solle anklopfen, bevor sie hereinkäme, das scherte sie einen Dreck. »Ich bin deine Mutter. Ich habe dich zur Welt gebracht.« Sie setzte sich neben mich und streichelte mir den Kopf, während die Diablos weiterhin die Wände erzittern ließen.
Ich fügte hinzu: »Evelyne, ich weiß, daß mich das nichts angeht, aber wie halten Sie das nur aus?«
Seit meine Mutter und meine Tochter mich an scheinend nicht mehr brauchten, konnte ich mich für andere Menschen interessieren.
Diese Unterhaltung endete mitten am Nachmit tag in meinem Bett, und ehrlich gesagt begriffen wir nicht, was in uns gefahren war. Weder sie noch ich.
Anschließend kroch sie rückwärts aus meinem Be tt , preßte ihre Kleider an die Brust und schenk te mir ein verlegenes Lächeln.
»Hören Sie zu, Evelyne, es tut mir wirklich leid...«, seufzte ich und dachte an all das, was wir gerade getan hatten und was wir nicht ungesche hen machen konnten.
Sie hatte vor Verwirrung feuerrote Wangen. Sie zog sich mit unbeholfenen Gesten wieder an, während ich mich am Kopf kratzte.
Jedesmal wenn wir miteinander schliefen, schien Evelyne in einem Zustand zu sein, der nicht normal wirkte. Sie fiel mir in die Arme wie eine betrun kene Frau und gab sich mir völlig hin. Wir wechselten praktisch kein Wort.
Anschließend, nachdem die Sache zu Ende war, verharrte sie einen Augenblick regungslos und blickte starr an die Decke, sie gönnte sich eine Minute, um wieder zu Atem zu kommen.
Ich sah, wie sich ihr Gesichtsausdruck ver- än derte, sah, wie sie wieder in ihren Normalzustand zurückkehrte und zu einer Frau wurde, die Ehe bruch als eine Sünde betrachtete, einer Frau, die nie ausging und die soeben in eine furchterregende Welt gestürzt war.
Sie setzte es schließlich durch, daß die Trauung in der Kirche stattfand. Es lag ein solcher Aus druck der Schuld in ihrer Miene, wenn sie sich wieder anzog, daß man um sie zitterte.
Eines Abends, als ich mir gerade in Ruhe die Nachrichten ansah – ich war im Schlafanzug, hat te ein Glas in der Hand und das Sofa für mich al lein –, raste Lili plötzlich wie eine Furie herein, stürzte sich auf mich und begann wor tl os und oh ne jeg li che Erklärung mit ihrer Handtasche auf mich einzudreschen.
Es hagelte so schnelle Schläge, daß ich eine Minute lang wie benommen war.
»Das darf nicht wahr sein. Wie konntest du das bloß tun, du altes Schwein.«
Sie zog Grimassen wie der Leibhaftige.
Am nächsten Morgen stand ich vor ihrer Tür. Ich mußte innerlich lachen, als ich das Durcheinander bemerkte, in dem sie mit ihrem frischgebackenen Ehemann lebte, dabei hatte sie früher ihr Zimmer immer so gut aufgeräumt.
Dann sagte ich ihr, daß ich ihre Reaktion verstehen könne und sie durchaus verdiene. Ich fand, das war ein guter Einstieg.
»Aber abgesehen davon«, fügte ich
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