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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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hinzu, »sehe ich nicht recht, was daran so schlimm sein soll. Die Tatsache, daß sie deine Schwiegermutter ist, erschwert die Sache natürlich in deinen Augen. Aber davon mal abgesehen. Laß uns ehrlich sein, so et was kommt doch alle Tage vor.«
    Sie nahm eine Zigarette, und ich gab ihr Feuer. Kaum sind Töchter verheiratet, betrachten sie ih ren Vater mehr oder weniger als eine Last.
    »Aber hättest du nicht darauf verzichten kön nen?« seufzte sie. »Hättest du dich nicht ausnahmsweise mal zurückhalten können?«
    Ich erwiderte, daß sie verdammt streng zu mir sei, wie ich fand, um nicht zu sagen: ungerecht in diesem Punkt. Natür li ch hätte ich Abenteuer ge habt, aber so viele nun auch wieder nicht.
    »Das ist doch wohl ein Scherz. Glaubst du vielleicht, ich sei blind? Hast du etwa all meine Babysitter vergessen, die du eine nach der anderen aufs Kreuz gelegt hast?«
    »Ich weiß genau, wovon du sprichst. Aber vergiß bitte nicht, daß ich damals gerade erst frisch verwitwet war, daß der Tod deiner Mutter ein Schock für mich gewesen war. Was glaubst du eigentlich? Das ist doch kein Grund, um so zu tun, als sei ich krank. Das lasse ich mir nicht gefallen.«
    Irgend etwas an mir schien sie doch anzuekeln, aber sie hatte vermutlich bei ihrem Wutanfall am Vorabend ihre Kräfte verausgabt.
    »Wenn ich dich so ansehe, frage ich mich, ob du noch ganz bei Trost bist«, erklärte sie und schüt telte dabei ernst den Kopf.
    »Und bei dir, ist bei dir alles in Ordnung?« Sie setzte mich vor die Tür.
    Ich blieb im Treppenhaus und wartete. Als sie sich entschloß, mir die Tür wieder zu öffnen, hatte sie sich eine weitere Zigarette angezündet, und eine Wolke aus blauem Rauch schwebte in der kleinen Wohnung.
    »Sie geht nicht einmal mehr zur Kirche«, teilte mir Lili mit.
    »Was? Kannst du das noch mal sagen?«
    Ich hatte mir offensichtlich noch keine Gedan ken über die Konsequenzen gemacht, die meine Beziehung zu Evelyne haben könne – eine Bezie hung, deren Realität mir kaum bewußt war und die ich nicht genauer bezeichnen konnte, so eigen tümlich, ungewöhnlich, unwirklich und zukunfts los war sie. Aber als ich erfuhr, daß zwischen ihr und ihrem Mann heftige Spannungen ents ta nden waren, wunderte mich das nicht weiter. Ich war nicht im geringsten darüber ers ta unt. Ich konnte sie mir gut vorstellen, wie sie sich zurückzog und sich auf die Lippen biß. Wie sie ganze Stunden un ter der Dusche verbrachte. Wie sie im Schlaf stöhn te. Wie sie nervös und geistesabwesend war. Und wie er das Essen seiner gespenstischen Frau total zum Kotzen fand.
    Sie hatte sich Lili an dem Tag anvertraut, als er ihr eine Schüssel gekochtes Gemüse an den Kopf geworfen hatte.
    »Wie konntest du das nur tun. Sie ist kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Du hast ihr Leben zerstört.«
    »Sie wird sich allmählich ihres Schicksals be wußt. Dafür kann ich nichts.«
    Sie verzog das Gesicht. »Sie war wirklich ein leichtes Opfer für dich. Aber das hat dich nicht davon abgehalten. Das hat dich nicht im geringsten davon abgehalten.«
    »Und was denkst du darüber?«
    Ich ging hinaus, ohne ihre Antwort abzuwarten.
    Dimitri, mit dem ich nicht viel gemein hatte, schwor, daß er dem Arschloch, in dessen Hände seine Mutter geraten war, eins auf die Rübe geben würde. Ihm
    ging die Sache sehr nah. Noch einer, der glaubte, daß seine Mutter Jungfrau sei, und der plötzlich mit der bitteren Wirklichkeit konfrontiert wurde. Als ich das hörte, blickte ich Lili an, um ihr zu verstehen zu geben, was ich von ihrem Mann hielt – dessen Dummheit in meinen Augen auf sie abge färbt hatte, denn hätte sie sich sonst so einen Typen geangelt, wo es doch bestimmt ein paar Männer gab, die durchaus okay waren, vorausgesetzt, man gab sich ein bißchen Mühe, um sie zu finden? Ich blickte sie aus den Augenwinkeln an, während Dimitri seinen Blödsinn von sich gab, und ich wußte, daß sie mich sehr gut verstand. Wir hatten acht zehn Jahre gemeinsam unter demselben Dach verbracht, ein Vater und seine Tochter, Tausende von Stunden unter vier Augen. Ich brauchte keinen Dolmetscher, um mit ihr zu kommunizieren. Und selbst wenn sie es nicht zugeben wollte, wußte sie, daß ich recht hatte. Sie warf mir einen vernichten den Blick zu, aber ich konnte nichts dafür, daß ihr Mann in jenem Augenblick mit seinem Vater telefonierte und davon sprach, mit dieser unglücklichen Evelyne einen Priester aufzusuchen oder sie einsperren zu lassen.
    Eines Morgens, als

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