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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Mädchen, dessen Vater ich hätte sein können, was die Kleine nicht zu beunruhigen schien und sie möglicherweise sogar aufreizte. Eine hübsche Mieze auf jeden Fall.
    Die wenig später Dimitri um den Hals fiel und auf seinem Schoß ein Glas trank, wobei sie zappel te wie ein Aal. Ich sah, worauf das hinauslief. Nicht daß ich Georges Blonsky nachgetrauert hätte, so weit ging das nicht, aber ich sah, auf welchem Ter rain das Match jetzt ausgetragen wurde, und war nicht gerade erfreut darüber. Es wäre mir lieber gewesen, auf ein gesunderes Milieu zu stoßen. Kreativen Menschen begegnete ich alle Tage, hatte oft genug mit ihnen zu tun und lud sie manchmal ins Restaurant ein, wo ich noch andere traf, ich kannte ihre Lebensweise genau, wußte, was für einen seltsamen Charakter und was für lose Sitten sie hatten. Vor allem die jungen Leute, solange sie noch nicht in der Lage waren, Schecks zu unterzeichnen.
    Ich begriff, warum Lili nichts mehr aß und warum sie so blaß war.
    Um drei Uhr morgens beobachtete ich bei extremer Kälte nachdenklich Dimitri, der ein Einfamilienhaus in der Vorstadt betrat.
    Als ich später meine Recherchen fortsetzte, fand ich heraus, daß Dimitris Vater früher, bevor er Versicherungsagent wurde, der Sänger der Diablos ge wesen war, meiner Lieblingsgruppe, als ich sech zehn war.
    Meine Mutter erinnerte sich noch genau an sie. Wir dachten nur ungern an diese Zeit zurück, denn wir hatten ziemlich unter einer Geschichte ge- lit ten, die sich damals abgespielt hatte und deren Narben, trotz der dreißig Jahre, die in- zwischen ins L and gezogen waren, nur langsam verheilten. Aber man stieß eben nicht alle Tage auf einen Typen, der die eigene Jugend geprägt und auf der Bühne die Hose heruntergelassen hatte, als er mit den Dia blos spielte.
    Ein paar Jahre zuvor hatte meine Mutter kurz mit einem Mann zusammengelebt, und seither befanden sich die Sachen aus meiner Jugend noch immer in ihrem Keller. Voller Rührung fand ich dort alle meine alten Platten wieder. Meine fünf LPs der Diablos, die noch so gut wie neu waren.
    Wir hörten sie uns an. Olga, eine Freundin mei ner Mutter, kam in diesem Augenblick herein, das Gesicht noch ganz verschwollen von ihrem zwei ten Lifting.
    »Mein Gott, die Diablos«, seufzte sie. »Das ist wirklich eine Verjüngungskur.«
    Lilis Mu tt er Sonia, meine verstorbene Frau, hatte eine ganz besondere Art gehabt, sich zu kleiden.
    »Ich sage nicht, daß mich das stört«, erklärte ich meiner Tochter, während draußen ein furchtbarer Wind wehte. »Ich finde nur, das ist nicht dein Stil.«
    Es war an einem besonders finsteren, feuchten Februarabend. Lili hatte alle Schrankkoffer durch wühlt - das war mein Fehler - und probierte die Sachen ihrer Mutter an. Ich wußte nicht, was in sie gefahren war, und hütete mich, sie das zu fragen. Ich sah zu, wie sie zwischen ihrem Zimmer und dem Wohnzimmer hin und her ging, wo ich im Sessel saß und vergeblich versuchte, die Zeitung zu lesen, denn sie unterbrach mich dauernd, weil ich ihre neuen Klamotten bewundern sollte.
    »Wenn es dich stört, dann sag es mir.«
    »Nein. Ich sag dir doch, das stört mich nicht.«
    Bis dahin hatte Lili eher formlose Hosen und Pullover getragen, in deren Ärmeln ihre Hände halb verschwanden, ganz zu schweigen von ihren Schuhen, diesen gräßlichen Turnschuhen, und plötzlich stand sie in einem Kostüm, Nylonstrümpfen und hochhackigen Schuhen vor mir oder drehte sich in einem Minirock und einer knappen Bluse vor mir im Kreis.
    »Habe ich Ähnlichkeit mit ihr?« fragte sie mich schließlich.
    »Nein. Nicht direkt«
    »Warum nicht?«
    Ich war zu alt für solche Spielchen. Ich bemühte mich, ihr gegenüber nicht weich zu werden, aber manchmal, wenn der Wind wie in diesem Augenblick über die Straße fegte und die Fensterwand erzittern ließ, geriet auch ich ins Wanken, und dann hatte ich Lust, die Arme sinken zu lassen, und wünschte mir, ich hätte das Recht, mich nicht in ihr Leben einzumischen.
    »Als erstes solltest du aufhören, sie ständig zu überwachen«, riet mir meine Mutter.
    »Ich bitte dich. Damit hat das nichts zu tun.« »Hör zu, sie wird schon wieder auf andere Gedanken kommen.«
    »Ich kann doch wohl erwarten, ein Mindestmaß an Informationen über das Leben meiner Tochter zu erhalten. Ich möchte nicht eines schönen Mor gens aus allen Wolken fallen. Denk daran, was man alles so hört. Bei diesem Dimitri fragst du dich, ob er ab und zu mal das Tageslicht sieht.«
    »Du

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