Reich der Schatten
Gefahr bringen wollte. Doch dann hatte sie von Aidan gehört, der, kaum ein paar Tage auf der Welt, seine Eltern verloren hatte. Inzwischen war der Kleine ein halbes Jahr alt.
Und jetzt …
Jetzt spielte es überhaupt keine Rolle mehr, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Aidan war ihr Kind, sie liebte ihn von ganzem Herzen. Selbst wenn sie ihn selbst geboren hätte, hätte sie ihn nicht mehr lieben können.
Sie wiegte ihn sanft und summte ein leises Lied.
Er begann sich zu beruhigen und wimmerte nur noch leise. »Ist ja schon gut, mein Kleiner. Mama ist da.«
Seine Schluchzer verebbten, doch dann fing er wieder an.
»Gib ihn mir!«, meinte Lucian und übernahm den Kleinen. Er blickte auf ihn und sprach leise auf Französisch zu ihm. Aidan sah seinen Vater an, wurde ruhig, machte die Augen zu und schlief gleich darauf tief und fest.
Jade nahm ihrem Mann den Kleinen aus den Armen und legte ihn behutsam in seine Wiege zurück. Dann ging sie wieder zu Lucian. »Eigentlich sollte ich eifersüchtig sein, dass du ihn so leicht beruhigen kannst«, meinte sie.
»Ich schummle. Ich spreche fließend Französisch, und diese Sprache wirkt beruhigend.«
Sie lächelte. »Keine Sorge. Mit all dem, was ich um die Ohren habe – ich kümmere mich um Aidan, ich versuche, weiter zu arbeiten, ich versuche, hier alles in Ordnung zu halten –, bin ich viel zu erschöpft, um eifersüchtig zu sein.«
Er küsste sie zärtlich auf die Stirn. »Leg dich wieder hin, Liebste. Schlaf noch ein bisschen.«
»Ich bin nicht mehr müde. Wir essen jetzt Hamburger.«
»Möchtest du nicht lieber ein Omelett? Allmählich ist es fast schon Zeit fürs Frühstück.«
»Ich habe Lust auf Rindfleisch, nur ganz kurz gebraten. Wie wär’s mit Steak und Eiern?«
»Das klingt gut.«
Hand in Hand gingen sie ins Erdgeschoss. Jade war eine recht gute Köchin, und Rühreier gehörten zu ihren Spezialitäten. Während sie sich ans Werk machte, merkte sie, dass Lucian zwar scheinbar völlig gelassen mit ihr plauderte, doch dabei unaufhörlich aus dem Fenster starrte. Dort hinter dem Haus lag ein Pool – nicht sehr groß, aber groß genug, um sich zu erfrischen -, umgeben von einem Rankgitter und blühenden Kletterpflanzen, ein wirklich hübsches Fleckchen. Eine hohe Steinmauer, mehr als hundertfünfzig Jahre alt, schloss den Hinterhof ab. Jade verstand nicht, was Lucian so intensiv beobachtete.
Oder verstand sie es doch?
Er beobachtete den Mond.
Bald darauf stand sie am Esszimmertisch. »Steak und Rühreier und dazu ein köstlicher Burgunder.«
»Burgunder, um diese Uhrzeit?«, fragte er.
»Na klar, warum nicht?«
Sie setzten sich. Sie gab sich betont gelassen. Sie plauderte über Aidans Lächeln und das Buch, das sie gerade las. Er ging auf alles ein und sagte stets das Richtige, doch er hörte nicht richtig zu, das spürte sie.
Allmählich wich die Finsternis dem Morgengrauen.
Er stand auf und streckte sich. »Das war köstlich! Aber jetzt sollten wir vielleicht doch noch eine Runde schlafen.«
Jade nickte. Sie begann abzuräumen. Er nahm ihren Arm und blickte ihr tief in die Augen.
»Darum können wir uns später kümmern«, meinte er.
Sie nickte. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, ihre Sinne waren hellwach.
Ihr Mann war ein hervorragender Liebhaber.
Ein sehr erfahrener Liebhaber, aber …
… er liebte sie, und sie wusste genau, wie sehr. Die Vergangenheit war völlig belanglos.
Hand in Hand gingen sie nebeneinander her ins Obergeschoss. Am Fußende des Bettes streifte sie den Morgenrock ab. Sofort spürte sie seine Hände auf ihrem Körper, und wie immer wurde ein Feuer in ihr entfacht, als ob sie schmelzen würde.
Als ob nichts anderes mehr wichtig wäre.
Egal, wie dunkel oder wie hell es war, sie spürte immer, wie sein Blick wie flüssiges Feuer über ihren Körper schweifte, in ihn eindrang.
Und am Ende wunderte sie sich stets, dass sie noch immer solche Leidenschaft verspürte, jedes Mal dieselbe Leiden-schaft, als ob eine riesige Explosion die ganze Welt in ein goldenes Licht getaucht hätte. Und manchmal, nachdem der Höhepunkt sie ergriffen, erschüttert und befriedigt hatte, verschwamm das goldene Licht auch, und alles wurde schwarz.
Schließlich schlief sie ein, zutiefst befriedigt und erschöpft.
Er lag wach neben ihr, und nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie komplett in die Welt der Träume eingetaucht war, stand er auf.
Er zog die Vorhänge zu und ging hinunter in den Keller.
Dort stand sein
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