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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ist mir bis zu den Kniekehlen gegangen.«
    »Und genau das spürt man in Ihrem Artikel. Die unmittelbare Erfahrung der Gefahr. So was wollen die Leute lesen. Das haben Sie gut gemacht, Goldblatt.«
     
    Die gute Laune verflog aber sofort, als er Nechyba grantig wie eine hungrige Bulldogge auf seinem Stammplatz sitzen sah.
    »Was ist Ihnen denn für eine Laus über die Leber gelaufen?«
    »Wie wenn Sie das nicht wüssten, Goldblatt.«
    »Was denn? Bin ich Hellseher oder der liebe Gott?«
    »Ist schon gut. Setzen Sie sich zu mir und trinken S’ einen Schnaps mit mir. Ich lad Sie ein.«
    »Das ist jetzt schon das zweite Mal im Laufe unserer zwanzigjährigen Bekanntschaft, dass Sie mich einladen. Sie werden sich finanziell noch übernehmen …«
    Nechyba grinste kurz. Er bestellte zwei doppelte Treberne und starrte so lange vor sich hin, bis die Schnäpse serviert wurden. Dann seufzte er tief und erhob sein Glas: »Sehr zum Wohl, Goldblatt.«
    »Also, jetzt erzählen S’ schon. Was bedrückt Sie?«
    »Mir ist nicht nur eine, mir sind zwei Läuse über die Leber gelaufen. Die eine kennen S’ eh: Die Steffi Moravec. Ich kann das Mensch 31 nicht finden. Die zweite Laus ist eigentlich eine Ehre. Trotzdem hab ich ein flaues Gefühl dabei.« Nechyba nahm einen Schluck Schnaps und fuhr fort. »Am 21. Mai, also übernächste Woche, veranstaltet die Stadt Wien anlässlich des sechzigjährigen Regierungsjubiläums Seiner Majestät eine sogenannte Kinderhuldigung im Schloss Schönbrunn. Dazu werden tausende Wiener Schulkinder sowie alle möglichen dem Hofe nahestehenden Personen eingeladen. Und Sie werden es nicht für möglich halten – ich – ausgerechnet ich wurde für diese Veranstaltung als persönlicher Leibwächter Seiner Allerhöchsten Majestät auserkoren!«
    »Na wenn das keine Ehre ist …«
    »Goldblatt! Sie verstehen mich nicht. Was ist, wenn ein Attentat passiert? Ich bin für das Leben Seiner Allerhöchsten Majestät verantwortlich!«
    Goldblatt bestellte noch zwei Treberne. Und fuhr nach einer Denkpause fort: »Regen Sie sich nicht auf, Nechyba. Ein Attentat hier bei uns in Wien, das glaub ich nicht. Noch dazu, wo bei diesem Festakt ja fast nur Kinder anwesend sind. Dass da was passiert, ist unwahrscheinlich. Höchst unwahrscheinlich.«
    »Ah so? Lesen Sie keine Zeitung? Haben Sie das Attentat auf den galizischen Statthalter, den Grafen Potocki, verschlafen?«
    »Beruhigen Sie sich, Nechyba. Wie ich schon sagte: Im Publikum werden nur Kinder sein.«
    »Kinder, Kinder … Das Argument beruhigt mich überhaupt nicht. Schließlich war der Attentäter in Galizien ein Student. Und damit auch noch fast ein Kind.«

IX/2.
    Er trank Unmengen. Wurscht was. Hauptsache Alkohol. Denn wer viel Kummer hat, muss auch viel trinken. Das war die Theorie, die sich Hansi Popovic zurechtgelegt hatte.
     
    Er saß in einem kleinen Gasthaus am Beginn des Wurstelpraters. Hier war er oft, weil dieses Etablissement nicht so überlaufen war. Es kamen eher wenige Leute her und das war dem Popovic gerade recht. Der halb leere Gastgarten, die lustlos spielenden Musikanten und die grantigen Kellner waren genau das, was er suchte. Das entsprach seiner trüben Stimmung. Auch, dass hier viele andere Gäste deprimiert dreinschauten, konvenierte ihm. Hier fühlte sich Hansi Popovic zu Hause. Und während es allmählich dunkel wurde und die Lichter der Laternen zu leuchten begannen, versank er in einen endlos düsteren Seelenzustand. Immer und immer wieder erinnerte er sich an jenen Februartag, an dem er Steffis Brieferl bekommen hatte. Mit diesem Brief hatte das Unglück seinen Lauf genommen. Und ausgerechnet er, der Hans Popovic, musste in so eine grausliche Geschichte hineingeraten. Die ganze Geschichte – er weigerte sich, das Wort ›Verbrechen‹ zuzulassen – wäre ja noch irgendwie mit Alkohol zu betäuben gewesen. Wenn da nicht noch seine starken Gefühle für die Steffi wären … Die Steffi hatte ihm mit ihren zarten Händen das Herz aus dem Leib gerissen. Sie hatte es so lange zusammengequetscht, bis kein Tropfen Herzblut mehr drinnen war. Sie hatte ihn zuerst ins Bett gelockt, ihn dann missbraucht und schließlich gedemütigt. Sie machte ihn zum Komplizen eines Geschehens, das so unglaublich war, dass er bis heute nicht verstehen konnte, wie er dabei mitmachen konnte. Die einzige Erklärung, die ihm einfiel, war ihre starke Ausstrahlung, die ihn all seiner Sinne beraubt hatte. Es war ihr gelungen, ihn völlig in ihren Bann zu

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