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Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren

Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren

Titel: Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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stellte er mit den Jahrzehnten nach außenhin etwas dar. Er wirkte. Er wirkte, in sämtliche denkbaren Welt- und Erdrichtungen, und bewirkte. Was bewirkte? Nach dem, was mir in der Zwischenzeit aus der weiten Welt über ihn zu Ohren kam, zumindest nichts Heilloses, was mir in meinem Vorurteil, alle die im Interesse der Allgemeinheit, wenn nicht der Menschheit, ohne Unterlaß Tätigen wären himmelhoch richtiger am Platz bei irgendwelchen Nichtigkeiten wie Knöpfeannähen, Reisigsammeln oder auch nur Auf-der-faulen-Haut-Liegen, da würden sie wenigstens kein Unheil anrichten, einer gewissen Achtung wohl wert ist.
    Sein Wirken und Bewirken erkläre ich mir folgend – auch wenn ich mir bewußt bin, daß solche Erklärung rein meinem nun schon geraume Zeit in Kraft getretenen Dahinphantasieren über meinen lieben Verschollenen entspringt: Seine Wirkung kam aus der an ihm so eigentümlichen Folge von Geistesgegenwart und auf einmal Abwesenheit, völliger Abwesenheit und auf einmal vollkommener Geistesgegenwart, und umgekehrt, und wieder umgekehrt. Gerade noch die Aufmerksamkeit in Person, konnte er von einem Augenblick zum nächsten, plötzlich, jäh, geradezu schlagartig aus seinem Anwesendsein geraten, und statt des Gegenübers wie nur je eines fandsich der andere wie vor einer Attrappe oder einem menschenleeren Gehäuse, an das man stirnseitig klopfen und manchmal auch hämmern wollte mit einem Schrei: »Hallo, ist da jemand?«, und wieder einige Augenblicke später war das Gehäuse nicht allein frisch bewohnt, sondern darüber hinaus der Ort und die Stelle – die Instanz, die sämtlichen äußeren Instanzen sonst übergeordnete – die einem gerecht wurde, oder wenigstens Gerechtigkeit versprach –, was für den Moment oft schon gerade das war, was einem nottat. Daß er seine Arbeit mit der linken Hand machte, schien ihm und nicht nur ihm recht so, eine lange Zeitlang, und ebenso, daß sie wenig von einer Arbeit an sich hatte.
    Und weiter klärt mich jetzt die Phantasie auf, daß jener Rhythmus, aus der Anwesenheit in die Abwesenheit und zurück, gründete in dem Wechsel zwischen seiner ursprünglichen Wissensbegierde, mehr einem Begehren, einer Lust, und dem oft überstürzten Davonlaufen von den Büchern und Broschüren, der »Literatur«, in einem Davonrennen auch vom Haus und Dorf, weg von den Leuten, hinaus zu den menschenfernen, wortlosen, nicht zu buchstabierenden, nicht zu entziffernden, nichts und wieder nichts sagenden, allein ihm was vorrauschenden, vorsausenden, vorknisternden, ihm unter die Achseln greifenden Waldsäumen. Dann aber dorthin zurück, wo er hergekommen war, sofort! Seine Existenz ein ständiges Spiel zwischen Wissenslust!, Geselligkeit und Geheimnis – das im übrigen niemand andern anging, und das er sogar mir, seinem einzigen Freund, erst viel später anvertraute. Anders hätte er auch in den späteren Jahren, und das ein halbes Leben lang, bis zum Ausbruch seines auch ihm selber dann zu Bewußtsein kommenden Narrentums, nicht so wirken können.
    Er wirkte: das hieß, er verbreitete durch den Gezeitenwechsel von An- und Abwesenheit Vertrauen – außer bei denen, für welche Vertrauen nicht zählte und eine Schwäche war. Es war dabei, als sei er mein Richter und Anwalt in einer Person, stärker freilich mein Anwalt, vor allem, wenn es darauf ankam und er, der Anwalt, gebraucht wurde. Er war in der Tat Anwalt geworden, Strafanwalt, unterwegs bei internationalen Strafgerichten, und vielen war er von Nutzen – gerade, weil das Richtertum bei ihm immer wieder, als eine Art Ordnungsruf, zum Vorschein kam. Viele auch stellten sich ihn als Politiker vor, gleichsam auf der Weltbühne; zum Glück blieb es bei der Vorstellung, welche zudem nicht die seine war – er hatte von seiner Entwicklung keine Vorstellung, konnte, auch als einer, der »etwas geworden war«, nicht und nicht von sich denken, er sei etwas geworden, geschweige denn, wie gesagt, aus ihm könne noch dies und das werden.
    Im Lauf der Jahrzehnte wurde mein Dorffreund auf diese Weise zwar kein Reicher, aber, wie man das einmal genannt hat, »gutsituiert«. Von Feinden habe ich nichts gehört, und auch, verwunderlich bei ihm als der allgemeinen Vertrauensperson, nichts von Freundschaften. Dafür kam mir einiges von ihm und Frauen, eher Frauen und ihm, zu Ohren, wieder verwunderlich, da ich ihn mir nie als Frauenmann habe vorstellen können – aber, so sehe ich das wohl, weil ich schon das Kind und dann den eher schmächtigen,

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