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Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren

Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren

Titel: Reihe der Versuche 05 - Versuch über den Pilznarren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Handke
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kommen. Eine kleine Bemerkung eines der Fremden da über Pilze, oder über einen bestimmten, gern übersehenen, und ein mehrstimmiges Erzählen konnte losgehen, mit einer stillen Begeisterung, auch für Orte, Jahreszeiten, insbesondere Nuancen und Schattierungen, wie sie kein noch so rasantes Fußballspiel undüberhaupt kein anderer Gegenstand auf Erden mehr zu wecken vermochte.
    Nur ging es dann nie darüber hinaus. Und wenn er sich auf die Lebensumstände der vermeintlich seinesgleichen einließ, so verkörperten sie, die Pilzwelt beiseite, eher das Gegenteil der von ihm doch gesuchten freien Menschen. Im alltäglichen Leben entpuppten sie sich meist als willige Untertanen, ihrer Frauen oder wessen auch immer, als Untergebene, mit denen nichts mehr zu reden war, als Untertanen der geducktesten Art, so als ob ihre Suchgänge ein bloßes Steckenpferd oder ein Zeitvertreib, einer unter tausend sich anbietenden, wären – was doch, sichtlich und hörbar immer neu an den Theken, nicht stimmen konnte. Und womöglich noch weniger auf seinesgleichen traf er auf den Tagungen und schon gar nicht auf dem Pilzforscher-Weltkongreß. Von Freien, mit Feuerzungen, entflammt von der Weltluft am ganzen Forscherleib,wie von ihm im voraus phantasiert, kaum ein Hauch. Eigentümlich schon, wie viele dieser Pilzforscher kränklich wirkten, und Kranke, eher eingebildete, waren. Frei erhobenen Hauptes stand keiner, was ja, bei dem besonderen Forschungsgebiet, fast noch natürlich war, aber auch ständig vornübergebeugte Menschen, mit krummen Rücken und zu Boden gesenkten Augen, konnten doch etwas von einem Souverän ausstrahlen, oder?, von einem Souverän seiner selbst. So einer brauchte vielleicht bloß den Mund zu öffnen und, Kongreß hin, Kongreß her, die Stimme ins Weite schwingen zu lassen, oder nicht? Und dergestalt das »obere Leitende«, so hatte Goethe den Geist gespürt, »vorwalten« zu lassen, nicht wahr? Jedoch keine Stimme schwang und gar waltete vor. Es blieb bei den Kongreß- respektive Konzilsstimmen, einem Wissenswettbewerb mit einem Pilzpapst und vielen Gegenpäpsten, auch bei dem angenehmsten Zusammensitzen danach, wobei sicher, der selbsternannte Freiherr aus dem Pilzreich, den schönen Zufall der Thekengespräche zurückwünschte. Müde von ein paar Schritten im Park des Kongreßhauses wirkten nicht wenige dieser allerdings meist ältlichen Mykologen, und selbst wenn einer von ihnen eine revolutionäre Sporentheorie vortrug, ging ein ständiges Hüsteln durch die Sitzreihen, wo einer sich ausdrücklich vom andern entfernt hielt, wie um nicht von ihm angesteckt zu werden – »all das undenkbar einst bei meinen Gerichtsplädoyers«. Und doch: Zu guter Letzt – immerhin ab und zu das Zu-guter-Letzt in seiner Geschichte – waren diese Pilzkundler allesamt eher Verlorene, wie es sich vielleicht auch heutzutage gehörte, und zugleich, jeder für sich allein, Beschwingte und Gutherzige.
    Und trotzdem waren auch sie nicht seinesgleichen. Er erkannte: Seinesgleichen gab es nicht, und das sagte er sich gegen das Ende seiner Geschichte, wie sie mir bisherbekannt ist, längst nicht mehr mit dem ihm vielleicht angeborenen Hochmut, aus dem in einer Zwischenzeit, der Hoch-Zeit seines Pilznarrentums, geradezu eine Hoffart geworden war.
    Hochmut und Hoffart verschwunden – und trotzdem fühlte er sich als der alleinige, der einsame Schatzsucher im Recht. Der Souverän, das war und blieb er, wenn auch nur in den Momenten, den täglich sich verkürzenden und wie in einem Handumdrehen ausbleichenden und, schlimmer, ungültig wirkenden der Ekstase. Und »Souverän« hieß: Wo ich bin und meine Kreise, Spiralen, Ellipsen ziehe, ist mein Platz, und der Platz ist mein, und keiner darf mich da stören. Verschwinde du gefälligst aus meinem Suchfeld. Aus meinen Augen. Weg mit dir, Sklavenseele. Und da er, gerade durch sein Alleinsein, neu bedacht auf Ansehen wie Auftreten war, wirkten diese, ohne daß er die Schmähungen, die ihm fast auf derZunge lagen, eigens herausschreien mußte (nur seine Fingernägel, bei sonst wieder weltmännischem Aufzug, waren nicht mehr zu säubern von der Walderde, so tief hatte die sich da hineingemischt).
    Von niemandem gestört zu werden, verlangte er, so als hieße das, er sei gerade bei einer besonders heiklen und darüber hinaus unabdingbaren und im Interesse der Allgemeinheit unaufschiebbaren Arbeit. Würde diese verhindert, so wäre das ein Jammer, ein ewiger, für das Gemeinwohl, und außerdem

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