Reine Glückssache
und alle taperten aus der Wohnung raus in den Flur und warteten, bis ich abgeschlossen hatte. Plötzlich musste ich schlucken, eine Panikattacke war im Anmarsch. Ich überließ meine Wohnung meiner Schwester. Ich war obdachlos. Und was, wenn es Streit mit Morelli gab? Was dann?
Junior stellte den Wäschekorb in den Kofferraum, und wir stiegen in unsere Autos.
»Wo fahren wir hin?«, wollte Lula wissen.
»Zu TriBro. Ich weiß zwar nicht, was ich da eigentlich will, aber das wird sich schon finden, sobald ich da bin.«
Ich fädelte mich ein auf die Route 1 und fuhr ans andere Ende der Stadt. Es war mitten am Tag, der Verkehr floss spärlich. Cal konnte mir problemlos folgen. Ich nahm die Abfahrt zum Gewerbegebiet und schlug mich durch bis zu TriBro. Dort stellte ich den Wagen auf dem hinteren Teil des Parkplatzes ab, blieb sitzen und beobachtete, was sich tat.
»Irgendwo in diesem Gebäude hockt der Killer«, sagte ich zu Lula.
»Glaubst du, dass Bart der Killer ist?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es jemand von Tri-Bro ist.«
Nach einer halben Stunde wurde Lula nervös. »Ich muss mir etwas zu essen besorgen«, sagte sie. »Mir mal die Beine vertreten. In dem Auto sitzt man so eingequetscht.«
Ich hatte auch Hunger. Ich wusste ja sowieso nicht, was ich hier auf dem Parkplatz eigentlich verloren hatte. Wahrscheinlich auf eine göttliche Eingebung warten. Eine Nachricht vom Himmel. Ein Zeichen. Ein Hinweis.
Ich startete den Wagen und fuhr los, die beiden Steroidapoden an meiner Stoßstange, folgte einige Kilometer der Route 1, nahm die Abfahrt zur Shopping Mall und hielt vor dem Eingang zu Macy’s. Immer ein guter Parkplatz, weil man gleich als Erstes, wenn man noch voller Energie ist, in die Schuhabteilung fällt.
Lula rauschte durch die Schwingtür und blieb im Mittelgang stehen. »Schlussverkauf!«, sagte sie. »Sieh mal, die vielen Regale mit den Schuhen. Alles Schlussverkauf!«
Ich sah zu den Schuhregalen hinüber, und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich keine Lust auf Shopping. Mir ging der Nelkenkiller einfach nicht aus dem Kopf. Ich dachte an Lillian Paressi und Fisher Cat, an Singh und an Howie. Und wahrscheinlich gab es noch andere. Ich wusste nur von zwei Spielen, aber vielleicht hatte es doch mehr gegeben. Ich dachte an das Baby meiner Schwester und an die Tatsache, dass ich selbst kein Kind hatte. Und vielleicht nie eins haben würde.
»Guck mal, die vielen Sandalen mit den hohen Absätzen und den Pailletten«, sagte Lula. »Mit Pailletten liegst du immer richtig. Und Stöckelabsätze geben deinen Beinen erst die richtige Form. Das habe ich mal in einer Zeitschrift gelesen.«
Lula hatte sich ihre Schuhe schon ausgezogen und suchte ihre passende Größe. Sie trug eine giftgrüne Brustbinde aus Spandex und gelbe Stretchhosen, die zu meinem Auto passten und nur bis zur Wade reichten. Sie fand die richtigen Sandalen, schlüpfte hinein und stolzierte vor dem Spiegel hin und her.
Cal und Junior standen verlegen am Rand des Mittelgangs. Wahrscheinlich hatten sie gedacht, sie brauchten mir nur zu folgen und würden zwischendurch noch ein paar Kleinkriminelle zu fassen kriegen, als sie ihre Marschbefehle von Ranger erhalten hatten. Und jetzt drückten sie sich in der Schuhabteilung von Macy’s herum, glotzten Lula an, die, mit den paillettenbesetzten Sandalen an den Füßen, nur aus Titten und Hintern zu bestehen schien.
»Was meinst du?«, fragte Lula mich. »Soll ich sie mir kaufen?«
»Klar«, sagte ich. »Die passen gut zu dem rosa Outfit, das du aus Las Vegas mitgebracht hast.«
Was ist, wenn Ranger doch falsch getippt hat, überlegte ich. Wenn der Nelkenkiller das Spiel satt hat und nicht mehr mit mir spielen will. Wenn er mich einfach nur noch umbringen will. Vielleicht beobachtet er mich gerade. Visiert mich mit einem Zielfernrohr an.
Lula bezahlte die Schuhe, und zielstrebig ging es weiter zur Lebensmittelabteilung. Lula kaufte sich ein Brathähnchen, ich einen Cheeseburger, Cal und Junior holten sich nichts. Wahrscheinlich aßen sie grundsätzlich nicht im Dienst, wollten nicht gerade einen Hamburger in der Hand halten, wenn sie ihre Pistole hätten ziehen müssen. Ich hatte nichts dagegen. Ich hielt ständig Ausschau in der Mall, und meine Augen wanderten umher, dass ich regelrecht Kopfschmerzen davon bekam.
Ich sah Lula beim Essen zu, und mich beschlich der gruselige Gedanke, dass sie vielleicht Recht hatte, was ihre Zähne betraf. Sie zerfetzte das Hühnchen
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