Reine Glückssache
herauszuholen.
»Es wäre nur vorübergehend«, sagte Kloughn. »Bis wir was Eigenes gefunden haben. Das ist wirklich supernett von dir. Was meinst du, Valerie? Ist das nicht nett von Stephanie?«
»Ja, ja«, sagte Valerie, bettete das Baby um, damit sie es füttern konnte.
Lisa hörte auf zu schreien, und Valerie sah aus, als würde sie wieder zu ihrer alten Form auflaufen, der heiter gelassenen Heiligen Valerie. Ich fand, dass sie wahrscheinlich doch sehr große Ähnlichkeit mit meiner Mutter hatte.
»Ach, es geht doch nichts über ein Baby«, sagte Grandma.
Mary Alice galoppierte vorbei und hielt inne. »Ich hätte lieber ein Pferd«, sagte sie.
»Wenn sie etwas größer ist, darfst du mir beim Füttern helfen«, sagte Valerie. »Das macht genauso viel Spaß wie bei einem Pferd.«
»Pferde haben schöne, seidige Schwänze«, sagte Mary Alice.
»Wir können Lisas Haare ja lang wachsen lassen und zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden«, sagte Valerie.
»Willst du ihr mal das Mützchen abnehmen, damit du ihre Haare sehen kannst?«
Mary Alice nahm Lisa das Mützchen vom Kopf, und wir versanken in den Anblick der dünnen Härchen, die Lisa an den Wirbeln herauswuchsen und ihr Gesichtchen einrahmten. Lisa hatte die winzigen Hände zu Fäusten geballt, sie hatte die Augen geöffnet und starrte Valerie an.
In diesem Moment, einfach so, wünschte ich mir ein Kind. Und es war mir egal, dass die Geburt höllisch wehtun würde.
»Ich sag’ deinem Vater Bescheid wegen der Wohnung«, sagte Kloughn. »Ich glaube, er hatte sowieso nicht ernsthaft vor, bei Harry Farnsworth einzuziehen.«
»Ich fahre nur eben rüber zu meiner Wohnung und verstaue meine Klamotten in Kisten, dann habt ihr Platz im Schrank. Ihr könnt jederzeit einziehen. Nur eins noch: Wenn Blumen abgegeben werden, solltet ihr mich umgehend anrufen.«
»Danke«, sagte Valerie. »Du bist eine liebe Schwester. Irgendwann werde ich es dir wieder gutmachen. Und wir fangen auch gleich an, uns nach einer eigenen Bleibe umzusehen.«
Ich rief meiner Mutter ein Auf Wiedersehen zum Abschied zu und ging nach draußen zu Lula.
Lula saß im Wagen und sah aus, als hätte sie Ameisen im Hintern. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist«, sagte sie.
»Ich bin so unruhig. Als wäre ich nicht ganz bei mir.«
»Machst du dir noch Sorgen wegen deiner Zähne?«
»Ich weiß, dass sie wachsen. Das spüre ich. Es ist unnatürlich. Hinzu kommen meine Magenkrämpfe. Immer will ich auf etwas beißen. Ich will, dass es so richtig knirscht in meinem Mund.«
»Du liebe Güte. Meinst du, so wie Knochen knirschen?«
»Wie bei einem Apfel. Oder bei Käsecrackern. Bei meiner Diät knirscht es mir nicht genug. Fleisch knirscht nicht. Ich leide unter Knirschentzug.«
Auf der Highschool war ich Majorette gewesen, und so kam ich mir jetzt auch vor, als führte ich eine Parade an. Ich fuhr los, Cal hinter mir her. Ich steuerte meine Wohnung an, Cal folgte mir auf der Fahrt zu meiner Wohnung. Wir parkten alle auf dem Parkplatz. Wir stiegen alle aus den Autos aus. Wir nahmen alle den Aufzug in den ersten Stock. Und alle kamen hinter mir her durch den Gang zu meiner Wohnungstür. Erst Lula, dann Cal, dann Junior. Junior sah aus wie ein Klon von Cal, von der Tätowierung abgesehen. Junior war tattoofrei, jedenfalls die Körperteile, die ich sehen konnte, und das reichte mir.
Cal schloss die Tür auf und warf einen Blick in die Wohnung. Nichts Ungewöhnliches sprang uns ins Auge, und im Gänsemarsch traten wir ein. Ich packte ein paar Kleidungsstücke und persönliche Dinge in einen Wäschekorb und räumte einige Möbelstücke um, damit Valerie Platz für ihren Kram hatte. Lula versuchte unterdessen, ein Gespräch mit Cal anzuknüpfen.
»He«, sagte sie, »was liegt an?«
»Was meinst du damit?«, fragte Cal.
»Gar nichts«, sagte Lula. »Das sagt man eben so, wenn man freundlich sein will. Um eine Unterhaltung einzuleiten.«
»Ach so.«
»Ich habe gehört, du hättest dir den Kopf aufgeschlagen, als du im Krankenhaus ohnmächtig geworden bist«, sagte Lula.
»Ja.«
»Und? Geht’s wieder besser?«
»Ja.«
»Vielleicht liege ich ja daneben«, sagte Lula, »aber ich glaube, du bist strohdumm.«
»Guck dich doch selbst an«, sagte Cal.
Es folgte ein Schweigen, währenddessen Lula vermutlich versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen.
»Und«, sagte sie schließlich zu Cal. »Bist du verheiratet?«
Das Packen dauerte keine zehn Minuten. Ich übergab Junior den Wäschekorb
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