Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition)

Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition)

Titel: Reingekracht: Familien-Bullshit-Bingo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kooky Rooster
Vom Netzwerk:
brannten. Nicht heulen, mahnte ich mich, nicht jetzt!
    Als er sich zurückzog rührte ich mich nicht. Tränen verklebten meine Wimpern und ich vernahm, wie sich leise die Tür hinter ihm schloss. Erst nach einer halben Ewigkeit wagte ich wieder zu blinzeln und es war erschütternd, wie kalt, wie grausam der Raum ohne Patrick wirkte. Als ich mich nach Weste und Shirt bückte, entdeckte ich ein zerfleddertes, kleines Büchlein auf dem Fußboden. Es musste Patrick aus der Tasche seines Sakkos gefallen sein. Eine Miniaturausgabe von
'Christian Morgensterns': 'Galgenlieder'
.
    Ohne mich weiter anzukleiden setzte ich mich aufs Bett und wog das kleine Werk in den Händen, strich über den Einband und blätterte darin herum. Eine Ewigkeit musste ich so zugebracht haben, ganz in Gedanken, die betörende Leidenschaft immer und immer wieder in meiner Fantasie abspielend, wie ein Lieblingslied.
    Erst ein energisches Klopfen an der Tür und Gerds fürsorgliche Arztstimme rissen mich aus den Gedanken.
    „Nino, bist du hier drin?“
    Da ich nicht sofort antwortete, riss er die Tür auf und starrte mich überrascht an.
    „Ist dir nicht kalt?“, wollte er wissen. Das Zimmer war nicht geheizt, hatte höchstens fünfzehn Grad, und ich saß mit nacktem Oberkörper auf dem Gästebett und knetete das Buch in meinen Händen. Erst jetzt spürte ich, dass ich völlig ausgekühlt war. Gerd schnupperte, dann schoss ein schäbiges Grinsen in sein Gesicht. Konnte man tatsächlich riechen, was hier vorgefallen war?
    „Es gibt gleich Kaffee und Kuchen“, unterrichtete er mich, schloss die Tür hinter sich und ich hörte, wie er so laut rief, dass es das ganze Haus hören musste:
    „Ich hab ihn gefunden. Er war in seinem alten Kinderzimmer.“
    In der Erwartung, er würde auch noch herausplärren was ich seiner Vermutung nach hier gemacht hätte, zog ich den Kopf ein. Doch er unterließ es – was allerdings nicht bedeuten musste, dass es keiner erfahren würde. Vermutlich konnte er es kaum erwarten, Susi davon zu erzählen und Minuten später würden es alle wissen. Die Frage war nur,
was
Gerd zu wissen glaubte.

Bingo
     
    Als ich die Treppen hinabstieg hörte ich aus dem Wohnzimmer Lachen und das Klirren von Besteck und Geschirr. Ohne nachzusehen wusste ich, dass es meine Mutter, Brigitte und Susi waren, die eifrig um den Tisch herumflitzten um ihn zu decken. Vermutlich wurde meine Schwester dabei von ihrem Mann und den Kindern umkreist, als wären sie Trabanten eines riesigen, runden Planeten.
    Vom Flur her, darauf bedacht nicht gesehen zu werden, warf ich einen Blick ins Wohnzimmer. Gerd war gerade dabei, Susi irgendetwas Lustiges zu erzählen, vermutlich, dass er mich halbnackt im Gästezimmer aufgestöbert hatte und nun vermute, ich hätte mir da oben einen runter geholt. Und wenn schon! Susi grinste und warf einen Blick zu Patrick. Ich auch.
    Er war in ein heftiges Gespräch mit Julia vertieft – sie hatten wohl eine kleine Auseinandersetzung. Kein Wunder. Patrick hatte ihr doch nicht etwa erzählt, dass wir …
Sie
wirkte sauer,
er
redete auf sie ein.
Sie
stemmte die Hände in die Hüften,
er
hob seine, um die Argumente zu untermauern.
Sie
schüttelte mit zynischer Belustigung den Kopf,
er
legte seinen schief und blickte sie verzweifelt an.
    Ich konnte da nicht reingehen. Nicht jetzt. Nicht, nachdem Patrick und ich uns so berührt hatten, uns so wunderbar nah gewesen waren. Wie sollte ich ihn ansehen, ohne mich – ohne
uns
– zu verraten? Vielleicht konnte
er
so tun als wäre nichts geschehen,
ich
konnte das nicht. Ich wusste nicht, wie ich im selben Raum mit ihm sein sollte ohne zu wissen, was unser erotisches Intermezzo zu bedeuten hatte. Ich wollte ihn umarmen, ihm nahe sein, da weitermachen, wo wir aufgehört hatten. Jetzt, da ich wusste wie er sich anfühlte, wuchs die Sehnsucht ins Unerträgliche, auch wenn ich ihn hier nur heimlich und aus einiger Entfernung, betrachtete. Ich sah mich bereits direkt auf ihn zugehen und ihn umarmen, ihn küssen, wortlos – einfach, weil ich nicht anders konnte sobald ich ihm näher als fünf Meter war. Selbst die Distanz, die ich jetzt zu ihm hatte, reichte nicht und so wankte ich stets einen Schritt vor, einen zurück, musste mich davon abhalten ihn zu überfallen.
    Ich hatte genug angerichtet – auch wenn ich nicht alleine Schuld daran war. Wie hatte aus dem harmlosen, dummen Scherz im Auto solch eine Situation entstehen können? Ich hatte – ich konnte es noch immer nicht fassen –

Weitere Kostenlose Bücher