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Reise durch die Sonnenwelt

Reise durch die Sonnenwelt

Titel: Reise durch die Sonnenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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müßte sich denn der Erde ganz über die Maßen genähert haben.«
    In der That erglänzte das Licht dieses Gestirns, mochte es nun sein, welches es wollte, so stark, daß es den Schirm von Dünsten durchbrach und sich eine halbe Tageshelle über die Umgebung verbreitete.
    »Sollte es wohl die Sonne sein, fragte sich der Officier. Aber sie ist ja kaum seit zehn Minuten im Osten verschwunden! Doch wenn es weder der Mond noch die Sonne ist, was ist es dann? Eine ungeheure Feuerkugel vielleicht? Ei, tausend Teufel, wollen denn diese verwünschten Wolken niemals zerreißen?«
    Dann begann er mit einem Rückblick auf seine Vergangenheit:
    »Es wäre doch wohl besser gewesen, ich hätte einen Theil der manchmal so thöricht verschwendeten Zeit darauf verwendet, etwas Astronomie zu treiben. Wer weiß? Vielleicht ist alles das, worüber ich mir hier den Kopf zerbreche, etwas ganz Einfaches?«
    Die Geheimnisse dieses neuen Himmels blieben in undurchdringliches Dunkel gehüllt. Der enorme Lichtschein, der offenbar von einer hellglänzenden Scheibe mit ungeheuren Dimensionen ausging, strömte etwa eine Stunde lang auf die obere Fläche der Wolkendecke nieder. Nachher aber – wiederum eine erstaunliche Seltsamkeit – schien die Scheibe, statt einen Bogen zu beschreiben, wie jedes andere, den Gesetzen der Himmelsmechanik folgende Gestirn, statt nach dem entgegengesetzten Horizonte hinabzusinken, sich in einer zur Ebene des Aequators perpendiculären Linie zu entfernen und das dem Auge so angenehme Halbdunkel, welches in der Atmosphäre schimmerte, mit sich fortzunehmen.
    Alles versank wieder in Dunkelheit und das Gehirn des Kapitän Servadac war davon nicht ausgeschlossen. Der Kapitän wußte sich nach keiner Seite Rath. Die elementarsten Regeln der Mechanik waren hier verletzt, die Himmelskugel glich einer Uhr, in der die Feder außer Ordnung gekommen ist; die Planeten entzogen sich den Gesetzen der Gravitation und es lag somit gar kein Grund für die Annahme vor, daß die Sonne jemals wieder über irgend einen Punkt des Erdhorizontes aufsteigen werde.
    Drei Stunden später jedoch ward das Tagesgestirn ohne vermittelnde Dämmerung im Westen wieder sichtbar; das Morgenlicht erhellte die Wolkenbank, der Tag folgte wieder auf die Nacht und Kapitän Servadac überzeugte sich durch Vergleichung seiner Uhr, daß die Nacht genau sechs Stunden gedauert hatte.
    Sechs Stunden reichten für Ben-Zouf freilich nicht aus; der unerschrockene Schläfer mußte geweckt werden.
    Hector Servadac rüttelte ihn ohne Umstände munter.
    »Allons, steh’ auf, und vorwärts! rief er.
    – Ah, Herr Kapitän! antwortete Ben-Zouf, sich die Augen reibend, mir scheint, ich habe meine Ration noch nicht. Ich war doch eben erst im Einschlafen.
    – Du hast die ganze Nacht verträumt.
    – Eine Nacht! das wäre …
    – Ja, freilich nur eine Nacht von sechs Stunden, aber Du wirst Dich an solche Nächte gewöhnen müssen.
    – Das wird auch noch geschehen.
    – Vorwärts denn, es ist keine Zeit zu verlieren. Wir wollen schnellstens nach dem Gourbi zurückkehren und sehen, was aus den Pferden geworden ist und was sie über das Alles denken.
    – Sie werden sich wundern, antwortete die Ordonnanz, daß ich sie seit gestern nicht gefüttert habe. Ich werde ihnen dafür eine ordentliche Mahlzeit vorsetzen.
    – Schon gut, aber mach’s nur schnell ab und sobald sie gesattelt sind, beginnen wir unsere Recognoscirung. Mindestens müssen wir doch in Erfahrung bringen, was aus den anderen Theilen Algiers geworden ist.
    – Und dann?
    – Und dann – nun, sollten wir Mostagenem im Süden nicht erreichen können, so werden wir uns im Osten bis Tenez durchschlagen.«
    Kapitän Servadac und seine Ordonnanz folgten wieder dem Fußwege längs der Küste, um nach dem Gourbi zu gelangen. Da sie einen tüchtigen Appetit verspürten, so machten sie sich kein Gewissen daraus, unterwegs Feigen, Datteln und Orangen zu pflücken, die ihnen eben handrecht hingen. Auf diesem jetzt gänzlich verlassenen Theil des Territoriums, aus dem neuere Anpflanzungen einen reichen, ausgedehnten Fruchtgarten gemacht hatten, brauchten sie deshalb keinen Proceß zu fürchten.
    Anderthalb Stunden nach ihrem Aufbruche von der Küste, dem früheren rechten Ufer des Cheliff, erreichten sie den Gourbi, wo sich Alles in der früheren Ordnung vorfand. Unzweifelhaft war während ihrer Abwesenheit kein Mensch hier gewesen und schien der östliche Theil des Landes ebenso wüst und verlassen zu sein, wie der

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