Reise durch die Sonnenwelt
Oliphant. (S. 125.)
– Richtig, antwortete Kapitän Servadac mit nicht mißzuverstehendem, mitleidigem Achselzucken, richtig, wir haben einander noch nicht vorgestellt.«
Damit wandte er sich an seinen Begleiter, dessen russische Zugeknöpftheit dem kalten Empfange der britischen Officiere völlig die Wage hielt.
»Herr Graf Wassili Timascheff! sagte er.
– Major Sir John Temple Oliphant!« erwiderte der Brigadier, seinen Begleiter vorstellend.
Der Russe und der Engländer verneigten sich.
»Herr Generalstabs-Kapitän Hector Servadac, sagte nun seinerseits Graf Timascheff.
– Brigadier Sir Henage Finch Murphy!« antwortete mit ernster Stimme Major Oliphant.
Neue Verbeugung der betreffenden Personen.
Den Gesetzen der Etiquette war nun Genüge geschehen; man konnte ungezwungen plaudern.
Selbstverständlich bediente man sich der französischen Sprache, die auch den Engländern und Russen geläufig ist – ein Resultat, welches durch den Starrsinn und die durchschnittliche Ungebildetheit der Landsleute Kapitän Servadac’s herbeigeführt worden ist, die sie verhindert, fremde Sprachen zu lernen.
Brigadier Murphy lud seine Gäste, denen Major Oliphant nachfolgte, durch eine Handbewegung ein und führte sie nach dem Zimmer, das er nebst seinem Collegen bewohnte. Dieses bestand in einer Art aus dem Felsen ausgehöhlten, aber keineswegs jedes Comforts entbehrenden Kasematte. Jeder nahm einen Sitz ein und die Unterhaltung konnte nun beginnen.
Hector Servadac, den so viele leere Förmlichkeiten verstimmt hatten, überließ das Wort meist dem Grafen Timascheff. Dieser begann, eingehend auf die Prätension der Engländer, vor geschehener gegenseitiger Vorstellung nichts gehört zu haben, noch einmal
ab ovo
.
»Meine Herren, sagte er, Sie wissen ohne Zweifel, daß sich in der Nacht vom 31. December zum 1. Januar eine Katastrophe ereignet hat, deren Ursache und Umfang wir noch nicht zu durchschauen vermochten. Sieht man das Restchen von Land, welches Sie bewohnen, also dieses Eiland, so liegt die Vermuthung nahe, daß auch Sie deren Wirkung sehr heftig empfunden haben werden.«
Die beiden englischen Officiere verneigten sich zustimmend.
»Mein Begleiter, der Kapitän Servadac, fuhr der Graf fort, hat selbst von diesem Ereigniß zu leiden gehabt. Er befand sich als Stabsofficier an der Küste Algeriens …
– Das ist ja wohl eine französische Kolonie? fiel Major Oliphant halb die Augen schließend ein.
– Es giebt nichts, was durch und durch französischer wäre, antwortete Kapitän Servadac schnell, aber trocken.
– Es war nahe der Mündung des Cheliff, fuhr Graf Timascheff phlegmatisch fort. Dort verwandelte sich in jener Schreckensnacht ein Theil des afrikanischen Festlandes urplötzlich in eine Insel, während alles Uebrige vollkommen von der Erde verschwunden zu sein scheint.
– Ah, sagte Brigadier Murphy, dem die Nachricht nur diesen einzigen Ausruf entlockte.
– Aber Sie, Herr Graf, mischte sich jetzt Major Oliphant ein, darf ich fragen, wo Sie sich während jener Nacht befanden?
– Auf dem Meere, mein Herr, am Bord meiner Goëlette, und ich betrachte es noch heute als ein Wunder, daß wir damals nicht mit Mann und Maus zu Grunde gingen.
– Wir gratuliren Ihnen noch heute, Herr Graf!« sagte verbindlich Brigadier Murphy.
Graf Timascheff nahm seinen Bericht wieder auf.
»Der Zufall führte mich nach der Küste Algeriens zurück, und ich war hocherfreut, auf der neuen Insel Kapitän Servadac wieder zu finden, und bei ihm seine Ordonnanz Ben-Zouf.
– Ben? … fragte Major Oliphant noch einmal.
– Zouf! rief Hector Servadac tief aufathmend, als habe er sich durch ein ›
Ouf!
‹ erleichtern wollen.
– Da Kapitän Servadac, fuhr Graf Timascheff unbeirrt fort, dringend daran gelegen war, einige Nachrichten zu erhalten, so schiffte er sich an Bord der Dobryna ein, und wir wandten uns nach Osten, um zu sehen, was von der afrikanischen Kolonie noch übrig sei … Wir fanden leider nichts!«
Brigadier Murphy bewegte ein wenig die Lippen, so, als hätte er sagen wollen, daß diese Kolonie, schon allein, weil sie französisch war, nicht von solidem Bestande sein könne. Hector Servadac erhob sich auch schon halb zur Erwiderung, aber er bezwang seinen Unmuth noch.
»Meine Herren, sagte Graf Timascheff, die Zerstörung ist eine ungeheure. Im ganzen östlichen Theile des Mittelmeeres trafen wir auf kein Ueberbleibsel von den früheren Ländern, weder von Algerien, noch von Tunis, einen Punkt
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