Reise durch die Sonnenwelt
Servadac, wie er sagte, von guter Vorbedeutung und ließ eine unbegrenzte Dauer der vulkanischen Eruption vermuthen. Nach moralischen und physischen Gesetzen fehlt nur der Heftigkeit die Ausdauer. Die heftigsten Stürme, ebenso wie der blinde Jähzorn, währen niemals lange. Hier quoll dieser Feuerstrom mit solcher Regelmäßigkeit empor und floß mit solcher Ruhe ab, daß man eine so gut wie unerschöpfliche Quelle desselben annehmen mußte. Beim Anblicke der Niagarafälle, deren oberes Wasser so friedlich in seinem Trappsteinbeile gleitet, kommt uns nie der Gedanke, daß sie jemals ein Ende haben könnten. Am Gipfel dieses Vulkanes hatte man dieselbe Empfindung und würde der Behauptung, daß die Lava nicht in Ewigkeit aus diesem Krater fließen könnte, gewiß ohne Bedenken widersprochen haben.
An diesem Tage trat auch eine Veränderung im physischen Zustande eines der Elemente der Gallia ein; wir bemerken aber im Voraus, daß die Bewohner des Asteroïden jene selbst herbeiführten.
Nach vollendeter Einrichtung der ganzen Kolonie auf Warm-Land und der gänzlichen Räumung der Insel Gourbi, erschien es von Vortheil, die Erstarrung der Oberfläche des Gallia-Meeres zu beschleunigen. Das Eis mußte ja die Communication mit der Insel erleichtern und den Jägern ein erweitertes Gebiet für ihre Ausflüge schaffen. Kapitän Servadac, Graf Timascheff und Lieutenant Prokop riefen also die ganze Bevölkerung nach einem Uferfelsen an der Spitze des Vorgebirges zusammen.
Trotz der sehr niedrigen Temperatur war das Meer noch eisfrei. Dieser Zustand rührte von dessen vollkommener Ruhe her, da nicht der leiseste Windhauch seine Oberfläche kräuselte. Es ist aber bekannt, daß das Wasser unter diesen Verhältnissen sich bis weit unter den Nullpunkt des Thermometers abkühlen kann, ohne zu gefrieren. Eine einzige schwache Erschütterung freilich genügt dann, um es sofort in Eiskrystallen anschießen zu lassen.
Auch die kleine Nina und Pablo fehlten bei dieser Zusammenkunft nicht.
»Würdest Du, mein Schätzchen, fragte Kapitän Servadac, wohl ein Stückchen Eis bis in’s Meer werfen können?
– Ei freilich, antwortete das Kind, mein Freund Pablo würde es aber wohl weiter zu werfen vermögen.
– Versuch’ es nur erst selbst!« fuhr Hector Servadac fort, indem er ein kleines Eisstückchen in Nina’s Hände legte.
Dann setzte er hinzu:
»Gieb wohl Acht, Pablo! Du wirst jetzt sehen, welch’ mächtige Zauberin unsere kleine Nina ist!«
Nina schwenkte einige Male den Arm und schleuderte das Eisstück fort, welches richtig in das ruhige Wasser fiel …
Sofort entstand ein deutlich hörbares Knistern und Knirschen, das sich bis über die Grenzen des Horizontes hinaus verbreitete …
Das Meer der Gallia erstarrte in seiner ganzen Ausdehnung!
Dreiundzwanzigstes Capitel.
Welches von einem hochwichtigen Ereigniß handelt, das die ganze Kolonie in Aufregung versetzt.
Drei Stunden nach Sonnenuntergang erhob sich am 23. März der Mond am entgegengesetzten Horizonte und zeigte sich den Blicken der Gallia-Bewohner schon im letzten Viertel.
Binnen vier Tagen war dieser Satellit also vom Syzigium nach der Quadratur vorgeschritten, woraus sich eine etwa eine Woche lang andauernde Periode der Sichtbarkeit desselben oder ein Mondwechsel nach je fünfzehn bis sechzehn Tagen ableiten ließ. Für die Gallia erschienen also die Mondmonate ebenso wie die Sonnentage auf die Hälfte verkürzt.
Drei Tage später, am 26. März, trat der Mond in Conjunction zu der Sonne und entzog sich vorläufig der Beobachtung.
»Wird er denn wieder erscheinen?« fragte Ben-Zouf, der sich als dessen erster Entdecker sehr warm für den Satelliten interessirte.
Und wahrlich, nach so zahlreichen kosmischen Erscheinungen, deren Ursache noch jeder Erklärung trotzte, durfte man diese Bemerkung Ben-Zouf’s nicht für eine ganz müßige halten.
Bei ganz heiterem Himmel und sehr trockener Atmosphäre sank das Thermometer am 26. bis auf zwölf Grad (C.) unter Null.
Nina schwenkte einige Male den Arm … (S. 214)
In welcher Entfernung von der Sonne mochte sich die Gallia jetzt befinden? Welchen Weg hatte sie wohl seit dem Datum zurückgelegt, welches das letzte, aus dem Meere aufgefischte Document bezeichnete? Von den Gallia-Bewohnern hätte es Keiner zu sagen vermocht, denn die scheinbare, weitere Verkleinerung der Sonnenscheibe konnte nicht einmal einer annähernden Abschätzung als Unterlage dienen. Es war sehr bedauerlich, daß der anonyme
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