Reise durch die Sonnenwelt
Gelehrte dem Meere nicht neuere Notizen mit den Resultaten seiner letzten Beobachtungen anvertraut hatte. Ganz vorzüglich beklagte Kapitän Servadac, daß diese eigenthümliche Correspondenz mit einem Landsmann – denn er blieb dabei, daß jener ein solcher sei – nicht ferner stattfinden könne.
»Uebrigens, äußerte er sich gegen seine Gefährten, ist es recht gut möglich, daß er seine Etuis-oder Büchsen-Briefsendungen auch weiter fortgesetzt hat, aber keine an der Insel Gourbi oder der Küste Warm-Lands angelangt ist. Jetzt nach Erstarrung des Meeres schwindet uns jede Hoffnung, einen ferneren Brief von diesem Originale zu erhalten.«
In der That war das Meer, wie der Leser weiß, vollkommen zugefroren. Dieser solide Zustand trat damals an die Stelle des flüssigen beim prächtigsten Wetter, als nicht der geringste Wind das Wasser des Gallia-Meeres bewegte. In Folge davon fror dessen Oberfläche auch ganz glatt zu, wie die eines Sees oder des Bassins eines Schlittschuhläufer-Clubs. Keine Erhöhung, keine Blase, kein Spalt zeigte sich hier. Es war eine reine, flecken-und fehlerlose Eisfläche, welche sich über Gesichtsweite hinaus erstreckte.
Kapitän Servadac that es bald seinem Lehrmeister gleich. (S. 218.)
Welch’ gewaltiger Unterschied gegenüber dem gewöhnlichen Aussehen der erstarrten Polarmeere, vorzüglich dicht vor einer Packeismauer! Da sieht man nichts als Eisberge, Spitzhügel, über einander gethürmte und ohne alle Unterstützung des Gleichgewichtes schwebend erhaltene Blöcke. Die Eisfelder stellen in der That nichts Anderes dar als eine Anhäufung regellos durcheinander geworfener Eisstücke; Trümmer, welche die strenge Kälte für eine Zeit lang in der wunderlichsten gegenseitigen Lage zusammenkittet; Eisberge mit leicht zerbrechlicher Basis, deren Gipfel die höchsten Masten der Walfischfahrer überragt.
In diesen arktischen und antarktischen Meeren ist nichts stabil, nichts unbeweglich; das Packeis ist eben nicht aus Bronce gegossen; ein Windstoß, eine Temperaturveränderung erzeugen dort häufig sehr auffällige Veränderungen des ganzen Bildes. Das Ganze gleicht fast einer Reihenfolge feenhafter Decorationen. Hier dagegen lag das Gallia-Meer bewegungslos in Fesseln und erschien noch ruhiger als im flüssigen Zustande, wo seine Oberfläche der Einwirkung des Windes unterlag. Die endlose weiße Fläche war ebener als die Plateaux der Sahara oder die Steppen Rußlands – gewiß wenigstens für sehr lange Zeit. Ueber diesen gleichsam gefangenen Meeresfluthen verstärkte sich der Eispanzer mit der zunehmenden Kälte und mußte seine Festigkeit bewahren bis zum Thauwetter – wenn ein solches jemals wieder eintrat.
Die Russen waren den Anblick der gefrorenen nördlichen Meere gewöhnt, welche sich als sehr unregelmäßig krystallisirte Flächen darstellen. Sie betrachteten dieses, einem Binnensee gleich ebene Gallia-Meer also mit großer Verwunderung, aber auch mit großer Befriedigung, denn die vollkommen glatte Eisfläche lud ja geradezu zum Schlittschuhlaufen ein. Die Dobryna besaß auch ein ganzes Sortiment Schlittschuhe, welche den Liebhabern dieses Vergnügens zur Verfügung gestellt wurden. Solche Liebhaber ließen nicht auf sich warten Die Russen unterrichteten die Spanier, und bei diesen schönen Tagen mit zwar lebhafter, aber doch erträglicher Kälte gab es auf der Gallia bald Niemanden mehr, der sich nicht in der Ausführung der elegantesten Curven übte. Die kleine Nina und der junge Pablo vollbrachten wahre Wunderwerke und wurden mit herzlichen Bravos überschüttet. Der zu jeder gymnastischen Uebung geschickte Kapitän Servadac that es bald seinem Lehrmeister, dem Grafen Timascheff, gleich, und auch Ben-Zouf machte Fortschritte, freilich war er schon mehrmals auf dem großen Bassin des Montmartre-Platzes – »und das gab einem Meere nichts nach« – Schlittschuh gelaufen.
Diese an und für sich sehr heilsame Körperübung gewährte den Bewohnern von Warm-Land gleichzeitig eine nützliche Zerstreuung. Im Falle der Noth konnte man sich ihrer als schnellen Beförderungsmittels bedienen. Wirklich legte Lieutenant Prokop, allerdings der anerkannt vorzüglichste Schlittschuhläufer von Allen, die Strecke von Warm-Land bis zur Insel Gourbi, d.h. zehn Lieues oder sechs Meilen, mehrmals binnen zwei Stunden zurück.
»Das wird auf der Gallia also die Stelle der Eisenbahnen unserer Alten Welt einnehmen, sagte Kapitän Servadac. Uebrigens ist ja der Schlittschuh
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