Reise durch die Sonnenwelt
wir nicht wirklich den Mond des Mondes bewohnen und nur den Erdsatelliten auf einer neuen, ihm innerhalb der Planetenwelt zugewiesenen Bahn begleiten?
– Verlangen Sie von mir ernstlich eine Widerlegung dieser neuen Hypothese? fragte Lieutenant Prokop.
– Nein, erwiderte Kapitän Servadac lachend, denn es ist ja einleuchtend, daß unser Asteroïd als Unter-Satellit nicht wohl drei Monate nöthig haben könne, um etwa einen Halbkreis um die nicht erleuchtete Oberfläche des Mondes zu beschreiben, und letzterer müßte uns seit der allgemeinen Katastrophe wohl schon mehr als einmal erschienen sein.«
Während der Dauer dieser Unterhaltung stieg der Satellit der Gallia – mochte es nun ein Gestirn sein, welches es wollte – schnell am Horizonte empor, wodurch das letzte Argument des Kapitän Servadac eine unmittelbare Bestätigung fand. Man konnte jenen jetzt bequem beobachten. Schnell wurden die Fernrohre zur Stelle geschafft und sehr bald überzeugte man sich, daß man hier die alte Phöbe der irdischen Nächte bestimmt nicht vor sich habe.
Obwohl dieser Satellit nämlich der Gallia weit näher zu stehen schien, als der Mond jemals der Erde steht, so war er doch offenbar nur sehr klein, und mochte nur den zehnten Theil der Erdenmond-Oberfläche besitzen. Hier hatte man also nur einen sehr verkleinerten Mond vor sich, der das Licht der Sonne nur sehr schwach widerstrahlte und damit kaum dasjenige der Sterne achter Größe verdunkelt hätte. Er war übrigens im Westen, der augenblicklichen Stellung der Sonne gerade entgegengesetzt, aufgegangen, mußte jetzt also »voll« sein. Eine Verwechselung mit dem Monde war ganz unmöglich, Kapitän Servadac überzeugte sich bald von dem Nichtvorhandensein jener sogenannten Meere, Rillen, Krater, Berge und aller anderen Einzelheiten, welche man auf den selenographischen Karten so deutlich sieht. Das war nicht das freundliche Gesicht der Schwester Apollo’s, die nach den Einen jung und schön, nach Anderen alt und runzelig, die sublunarischen Sterblichen seit unzählbaren Jahrhunderten schon ruhigen Blickes beobachtet.
Hier handelt es sich also um einen ihnen eigenthümlichen Mond, wahrscheinlich, wie Graf Timascheff äußerte, um irgend einen der Asteroïden, den die Gallia bei ihrem Laufe durch die Zone der teleskopischen Planeten an sich gezogen hatte. Ob das freilich wirklich einer der jener Zeit katalogisirten hundertneunundsechzig kleinen Planeten war, konnte natürlich Niemand wissen, vielleicht gab die Zukunft hierüber Aufklärung. Es giebt in der That solche Asteroïden von so geringem Umfange, daß ein guter Fußgänger binnen vierundzwanzig Stunden um sie herum gelangen könnte. Ihre Masse erreichte in diesem Falle noch lange nicht die der Gallia, deren Attractionskraft demnach hingereicht haben würde, einen dieser Miniatur-Mikrokosmen an sich zu fesseln.
Die erste im Nina-Bau verbrachte Nacht verlief ohne Zwischenfall. Am anderen Tage wurde das gemeinsame Leben endgiltig organisirt. »Monseigneur, der General-Gouverneur«, wie Ben-Zouf sich emphatisch ausdrückte, duldete keinen Müßiggang, den Hector Servadac wirklich seiner Folgen wegen vor Allem fürchtete. Man regelte also die tägliche Beschäftigung mit möglichster Sorgsamkeit, da es an Arbeit ja nicht fehlte. Einen großen Theil derselben nahm die Sorge für die Hausthiere in Anspruch. Die Zubereitung conservirbarer Nahrungsmittel, der Fischfang, so lang ihn das offene Wasser noch gestattete, die bessere Einrichtung der Galerien, welche der Bequemlichkeit halber an manchen Stellen erweitert wurden, endlich tausenderlei unvorhergesehene Abhaltungen ließen die Arme niemals feiern.
Wir fügen hierbei ein, daß in der kleinen Kolonie das vollkommenste Einvernehmen herrschte. Russen und Spanier fanden sich in einander und begannen schon einige französische Worte, die officielle Sprache auf der Gallia, zu benutzen.
Pablo und Nina wurden die Schüler des Kapitän Servadac, der sie eifrig unterrichtete, während es Ben-Zouf oblag, für ihre Zerstreuung zu sorgen. Die Ordonnanz lehrte ihnen nicht nur französisch, sondern, was noch weit mehr sagen will, »parisisch« sprechen. Er versprach ihnen auch, sie dereinst nach einer »am Fuße eines Berges erbauten Stadt« zu führen, die in der Welt nicht ihresgleichen habe und von der er die verlockendsten Schilderungen entwarf. Der Leser erräth, welche Stadt der enthusiastische Lehrmeister im Sinne hatte.
Die beiden Beobachter vermochten mittels
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