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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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davon und hatten auch ihre Meinung darüber, aber
     sie waren taktvoll und sagten nichts, blickten großzügig weg, wenn hin und wieder der Ordnungssinn oder die Sparsamkeit mit
     mir durchgingen.
    Am schwersten fiel mir, daß ich an ihren Spielen teilnehmen mußte. Mir fehlt jegliches Schauspielertalent, ich bin heillos
     verklemmt, und anfänglich starb ich fast, wenn sie mir die rote Weste des Großvaters anzogen, damit ich in einem Borgia-Fortsetzungsdrama
     den Papst Alexander VI. darstellte. Später lernte ich auch das; aber nie gelang es mir, so schöne barocke Texte zu improvisieren,
     wie sie das konnten. Hingegen erwies ich mich als ausgezeichnetes Opfer. Mich konnte man am besten vergiften oder in Öl braten.
     Oft war ich auch einfach die Menge, die der Grausamkeit Ivans des Schrecklichen zum Opfer fiel, und ich mußte fünfundzwanzigmal
     hintereinander auf verschiedene Arten und röchelnd die Seele aushauchen. Besonders meine Röcheltechnik hatte großen Erfolg.
    Und ich muß dir auch gestehen, obwohl mir das sogar nach so viel Wein schwer fällt, aber meine Frau muß auch das wissen: daß
     ich sehr gern das Opfer war. Schon vom Morgen an freute ich mich darauf, ja   …«
    »Warum warst du gern das Opfer?« fragte Erzsi.
    »Naja   … aus erotischen Gründen, wenn du verstehst, was ich meine   … Später erfand ich selbst die Geschichten, in denen ich nach meinem Gusto das Opfer sein konnte. Zum Beispiel (das Kino begann
     damals schon, die Phantasie zu beeinflussen): Éva ist das Apachenmädchen (davon handelten die Filme damals), und sie lockt
     mich in ein Apachenlager, wo sie mich betrunken macht, worauf ich ausgeraubt und umgebracht werde.Oder das gleiche in Geschichtlich:
     Judit und Holofernes, das war auch nicht schlecht. Oder ich bin ein russischer General, Éva ist eine Spionin, sie gibt |33| mir ein Schlafmittel und entwendet den Schlachtplan. Tamás ist ein geschickter Flügeladjutant, der die Spionin verfolgt und
     den Plan zurückholt, doch bis dahin wird auch er von Éva mehrmals außer Gefecht gesetzt, und die Russen erleiden entsetzliche
     Verluste. Dergleichen ergab sich aus dem Moment, während des Spiels. Und den beiden gefiel das, während ich mich für diese
     Spiele schämte, ich schäme mich auch jetzt noch, da ich davon rede, sie hingegen fanden nichts dabei. Éva war gern die Frau,
     die die Männer betrügt, verrät, umbringt, Tamás und ich waren gern die Männer, die betrogen, verraten, umgebracht oder fürchterlich
     gedemütigt werden   …«
    Mihály verstummte und nahm einen Schluck. Nach einer Weile fragte Erzsi:
    »Warst du in Éva Ulpius verliebt?«
    »Nein, ich glaube nicht. Wenn du unbedingt willst, daß ich in jemanden verliebt war, dann eher in Tamás. Er war mein Ideal,
     Éva hingegen eher nur eine Zugabe, eine erotische Kraft in diesen Spielen. Aber ich möchte doch nicht sagen, ich sei in Tamás
     verliebt gewesen, weil das mißverständlich ist, am Ende denkst du noch, es hätte zwischen uns eine homoerotische Beziehung
     bestanden, und davon konnte nicht die Rede sein. Er war mein bester Freund, im vollen, jugendzeitlichen Sinn des Wortes, und
     was an der Sache ungut war, gehörte, wie ich vorhin gesagt habe, in eine ganz andere, tiefer liegende Kategorie.«
    »Aber Mihály, ihr wart doch jahrelang zusammen, hat es da nie einen unschuldigen Flirt zwischen dir und Éva Ulpius gegeben?
     Schwer vorstellbar.«
    »Nein, wirklich nicht.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Wie?… ja, wie?… Wahrscheinlich so, daß wir ein derart intimes Verhältnis hatten, daß wir nicht flirten und nicht ineinander
     verliebt sein konnten. Für Verliebtheit braucht es Distanz, über die hinweg sich die Verliebten einander nähern. Das Sich-Nähern
     ist natürlich nur illusorisch, da Liebe in Wirklichkeit Entfernung bedeutet. Liebe ist Polarität – die beiden Liebenden sind
     die zwei gegensätzlich geladenen Pole der Welt   …«
    |34| »Du redest unheimlich klug, so spät in der Nacht. Ich verstehe die ganze Angelegenheit nicht. War das Mädchen häßlich?«
    »Häßlich? Sie war die schönste Frau, die ich meiner Lebtag gesehen habe. Nein, das stimmt auch nicht. Sie war die schöne Frau,
     an der ich noch heute alle Schönheit messe. Alle meine späteren Lieben hatten etwas von ihr, die eine hatte ihre Beine, die
     andere hob den Kopf wie sie, die dritte hatte am Telephon die gleiche Stimme.«
    »Ich auch?«
    »Ja   … du auch.«
    »Inwiefern gleiche ich

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