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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Shea
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fast bequem in den vier Hakenklauen des Rieseninsekts, das kerzengerade mit ihnen emporschoß.
    »Ich muß schon sagen«, schrie Polderbag entrüstet, »daß Simbilis wenig Rücksicht auf die Gefühle seiner Besucher nimmt.«
    »Es steht uns nicht zu, die Methoden eines Großen in Frage zu stellen, der so viel weiter sieht als unsereins«, tadelte Mumber Sull.
    Bald näherten sie sich der Kuppe des eingehüllten Berges. Die Wespe flog darüber hinweg und beschrieb einen hohen Bogen über einem blassen Schräghang, der aus einer bleichen, leicht genarbten Substanz bestand. Er endete in einiger Entfernung an einer hohen Hecke aus schwarzem Material, mit einer Unterbrechung in der Mitte, durch die ein blasser Vorsprung der gleichen Substanz wie der Schräghang zu sehen war. Rechts von diesem Vorsprung war die ganze Seite aus einer nicht näher ersichtlichen Lichtquelle unterhalb der Hecke beleuchtet, so daß die Einzelheiten deutlich zu erkennen waren.
    »Bei allen guten Geistern!« stieß Gunnruck hervor. »Das ist ja ein Gesicht!« Die anderen hatten es gleichzeitig bemerkt und hingen wie erstarrt im Griff der Wespe, während allmählich die Stirn hinter ihnen zurückblieb. Als sie die dunkle Hecke der Brauen überquerten, kamen sie direkt über die Lichtquelle – die rechte Augenhöhle. Sie war mit einem schwarzen See gefüllt, in dem eine beleuchtete Plattform schwamm. Die linke Augenhöhle war ein schwarzer Abyssus, aber die hervorspringenden Merkmale des restlichen Gesichts waren durch das Licht aus dem rechten Auge erkennbar. Unterhalb des bleichen Kinns war nichts zu sehen, obgleich die vier mehrere Augenblicke Zeit hatten, sich umzublicken, ehe die Wespe sich auf die Plattform herabsenkte.
    »Ein Titan!« murmelte Mumber Sull. »Kann es sein, daß Simbilis den Körper dieses Giganten bewohnt?«
    »Vielleicht überwältigte er diese Kreatur im Kampf«, meinte Cugel, »und nachdem er sie unschädlich gemacht hatte, benutzt er sie als sein Domizil.«
    »Aber was hätte er dazu für einen Grund?« zweifelte Gunnruck.
    »Nur der Kopf ist sichtbar«, berichtigte Polderbag. »Deshalb wäre es möglich, daß Simbilis nur den Schädel des Riesen bewohnt.«
    »Beide dieser Hypothesen würden an dem gesunden Verstand des Zauberers zweifeln lassen«, protestierte Gunnruck.
    Als sie sich der runden Plattform auf dem dunklen See näherten, sahen die Pilger eine Gestalt dort sitzen und bemerkten auch, daß das Licht um die Plattform von mehreren Kugeln kam, die in der Luft schwebten.
    Die Wespe setzte sie einige Meter von der sitzenden Gestalt ab und verschwand in der Dunkelheit. Die Pilger schritten vorsichtig auf die Gestalt zu.
    Es war ein alter Mann, der nicht auf der Plattform, sondern in der leeren Luft darüber saß, etwa wie ein Zeichner auf einem hohen Hocker, der sich über seine Arbeit beugt. Und wirklich, mehrere Karten waren vor ihm ausgebreitet – schräg, als lägen sie auf einem Zeichenbrett, doch auch sie hielt nichts Sichtbares. Die vier blieben schweigend in der Nähe stehen und warteten, bis der Alte seinen Blick von den Karten hob.
    Als er es tat, sahen sie, daß er kaum größer als ein Zwerg war, mit Beinen kaum weniger krumm als die eines Kobolds. Sein Schädel wirkte verhältnismäßig groß, und ein dichter Kranz weißen Haares, das bis zu den Schultern reichte, umringte eine glänzende Glatze.
    Etwas an ihm fiel besonders auf: Die Iris seiner großen Augen glitzerte in allen Regenbogenfarben. Blickte man in sie, hatte man das Gefühl, daß sie ständig die Farben wechselte, außerdem, was die Wirkung noch hypnotischer machte, waren die Augen nicht aufeinander abgestimmt.
    »Ihr alle«, sagte der Zwerg mit pfeifender, durchdringender Stimme, »kommt zu mir aus Machtdurst.«
    »Wie? Ihr seid Simbilis?« fragte Mumber Sull erstaunt.
    »Der bin ich.«
    »Verzeiht, mein Lehnsherr«, sagte der Than hastig. »Wir haben einen weiten Weg hinter uns und zweifelten schon fast, daß wir Euch je finden würden.«
    Der Zauberer nickte und fuhr trocken fort: »Ich habe gesagt, ihr kommt alle, um Macht zu suchen. Drei von euch denken dabei auch an ihre Rache. Nur zwei von euch könnte man als ehrlich bezeichnen, und einer von diesen zweien ist, wie es häufig vorkommt, ein Narr. Trotzdem heiße ich euch willkommen und fordere euch auf, mir euer Begehr vorzutragen. Laßt euch jedoch bereits jetzt gesagt sein, daß ich meine eigenen Ziele verfolge und mich nur nach ihnen richten kann, wenn ich über euer weiteres

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