Reise in die Unterwelt
Geschick verfüge.«
Alle, außer Mumber Sull, fanden diese letzte Bemerkung ominös. »Unübertrefflicher Herr und Meister«, sagte der Than, »wer immer auch der Narr sein mag, den Ihr erwähntet, laßt mich Euch versichern, daß er guten Willens ist. Ich lege für alle drei meiner Begleiter die Hand ins Feuer, auch wenn vielleicht jeder von ihnen seine kleinen Schwächen hat. In mir, mein Lord, erkennt Ihr sicher einen Eurer eigenen Vasallen der Stadt Icthyll.«
»Deshalb die merkwürdige Deformation Eures linken Ohrlappens«, brummte Simbilis und lehnte sich zurück, als säße er in einem bequemen Sessel. »Ich erinnere mich jetzt auch wieder. Icthyll, ist das nicht ein Städtchen an der Küste der Imlacsee?«
»Der See von Cutz, mein Lord.«
»Stimmt. Nach jenem ersten Krieg ...«
»Die Kriege des achtzehnten Äons, mein Lord. Ich machte es zu meiner Mission, Euch, allergrößter Herr, zu berichten, daß einer Eurer Verbündeten dieses Krieges – oder vielmehr dessen Nachkomme – auf unverschämte Weise seine Machtbefugnisse überschritt, die zu jener lange zurückliegenden Zeit festgelegt wurden.«
»Eine wahrhaft lange zurückliegende Zeit. Es dürfte demnach das Haus Pandu Slayes sein, das sich dieses Übergriffs, von dem Ihr sprecht, schuldig gemacht hat.«
»So ist es, mein Lord. Er hat gewagt, in Euer Hoheitsgebiet einzudringen und die Regierungsgewalt über Icthyll zu ergreifen.«
Simbilis lächelte. »Natürlich wollt Ihr dorthin zurückkehren, und zwar mit ausreichender Macht, um die Usurpatoren zu vertreiben.«
Ehe Sull noch den Mund öffnen konnte, wandte Simbilis sich an Gunnruck. »Und Ihr, Madame? Tretet näher und laßt mich Eure Wünsche hören.«
»Ich möchte an einen Ort, wo es möglich ist, noch in Sicherheit zu leben. Und dazu hätte ich gern eine ausreichende Barschaft, um ein sorgloses Dasein führen zu können. Ihr sagtet, wir alle suchten Macht, doch ich persönlich begehre nur das.«
»Ihr sprecht ohne Überlegung, Madame«, gab Simbilis zu bedenken. »In einer Zeit wie dieser lebt der Großteil der Menschheit nicht in Reichtum, sondern durch seiner Hände Arbeit und im Schatten eines gewaltsamen Todes. Indem Ihr mich um ausreichende Mittel und Sicherheit bittet, verlangt Ihr die Kraft zu leben – etwas, das selten und nur schwer zu bekommen ist.«
»Reine Sophisterei«, erwiderte Gunnruck. »Nun, ich glaube, ich bin durchaus in der Lage, für meine Bedürfnisse selbst zu sorgen.«
Simbilis nickte. »Natürlich. Und es entspricht meinen eigenen Bedürfnissen, den Bedürfnissen meines Werkes, daß ich über Euer Geschick und das Eurer Begleiter bestimme.«
»Welches Werk ist das, mein Lord?« erkundigte sich Mumber Sull.
Simbilis lächelte nun ganz offensichtlich, und die Farben seiner Iris wechselten noch viel schneller, offenbar ein Zeichen seiner Erheiterung. Er blickte auf die zerfranste Barriere der Augenbrauen des Titanen – eine düstere Wand aus verwirrenden Schatten am Ufer des dunklen Sees.
»Das Werk, das mein Lebensziel ist, geschätzter Than, umgibt uns. Wir treiben auf dem See visuellen Lebenssafts, der die Höhle dieses noch nicht fertiggestellten rechten Auges füllt. Die Augen werden übrigens lidlos sein, denn das Wesen wird keinen Schlaf kennen.«
»Dieser Titan ist demnach Euer Geschöpf?« staunte Sull.
»Mein Lebenswerk, wie ich bereits sagte. Seit Äonen arbeite ich daran. Von allen Dingen auf der Erde ist Fleisch und Blut am schwierigsten herzustellen. Doch endlich nähert es sich seiner Fertigstellung. Seine gewaltigen Flügel liegen begraben unter dem Glas – sie dienen auch als Segel, die vom Sternenschein angetrieben werden können. Sein Herz schlägt noch unsagbar langsam, ehe es erweckt wird – sonst wäret ihr bedeutend größeren Flutwellen ausgesetzt gewesen.«
Obgleich das Thema des Giganten wirklich faszinierend war, erachtete Cugel doch seine eigenen Probleme für wichtiger, für ihn zumindest. »Allerhöchster Herr«, meldete er sich ungebeten zu Wort. »Ihr seid gewiß bereits ungeduldig, mein Begehr zu erfahren. Ich werde es Euch in aller Kürze dar ...«
»Das ist nicht nötig«, unterbrach ihn Simbilis. »Sowohl Ihr als auch Euer wohlbeleibter Gefährte möchten schnellstmöglich an die Oberwelt zurück, wo jeder von euch sich an einem Zauberer rächen will. Der Zauberer, dem Eure Vendetta gilt, ist ein unbedeutender Bursche von keinem großen Wert, im Gegensatz zu jenem, auf den Euer Kamerad es abgesehen hat. Von diesem
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