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Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Reise mit Hindernissen nach England und Schottland

Titel: Reise mit Hindernissen nach England und Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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am Vorabend die Kanonen gedonnert hatten, um ihre Ankunft zu feiern. Die schottischen Soldaten waren in ihren Uniformen eine wahre Pracht; ihre markanten Gesichter trugen martialischere Züge als die der englischen Militärs; der Offizier, der diesen Zug befehligte, strahlte in seiner herrlichen Uniform, und sein linker Arm stützte sich auf den blitzenden Griff seines Claymore. Weder Trompete noch Trommeln oder Querpfeifen heiterten den Marsch dieser Kompanie auf; aber der Bagpiper entlockte seinem makellosen und glänzenden Dudelsack fröhliche Pibrochs.
    Alsbald ertönte das Abfahrtssignal, und dann ratterte der Zug mit Volldampf in Richtung Edinburgh. Jacques hielt an der Wagentür Ausschau nach dem entgegenkommenden Zug der Königin, doch ein leises Brausen in einem vorbeijagenden Luftwirbel war auch schon alles, was er erhaschen konnte.
    Der Scottish Central Railway ermöglicht es, die Reise in eineinviertel Stunden durchzuführen, obwohl er einen kleinen Umweg nach Polmont Junction macht. Von hier aus fuhr der Zug über Linlithgow, eine kleine Stadt am Ufer eines Sees, wo Maria Stuart geboren wurde, ließ die Ruinen des Schlosses von Niddry, auf dem sich die unglückliche Königin nach ihrer Flucht aus Loch Leven Castle erholte, linker Hand hinter sich, überquerte Almond Water auf einem Viadukt aus sechsunddreißig Brückenbögen und rauschte schließlich an den Pentland Hills vorbei. Dann verschwand er im Edinburgh-Tunnel und hielt wenig später in der General Railway Station, unweit des Denkmals von Walter Scott.
    »Laß uns zunächst einmal essen«, rief Jacques, »anschließend können wir uns dann auf die Suche nach unseren Koffern begeben; da die Familie B. verreist ist, müssen wir uns vergewissern, ob ihr Haus nicht vollkommen verschlossen ist.«
    Wo hätten sie besser speisen können als in der vertrauten kleinen Schenke der High Street? Das kalte Fleisch schmeckte dort ganz gut, das Brot war schlecht wie überall in England, und das Bier schäumte vergnügt in den Metallpinten. Nach diesem Mahl beschlossen sie, auf einer neuen Route in die Inverleith Row zu spazieren, was ihnen erlauben würde, Leith zu besichtigen; diese wichtige Stadt bildet den Hafen von Edinburgh, an der Mündung des Flusses, der denselben Namen trägt. Sie ist eine kleine Industrie-und Manufakturstadt, die, geradeso wie eine Kapitale, einen alten und einen neuen Stadtteil besitzt. Die Wanderer erreichten sie über den Leith Walk am anderen Ende der Prinzenstraße, und als sie am Hafenbecken standen, wurden ihre Augen von einer dreifarbigen Flagge entzückt, die auf der Gaffel eines Besanmasts schaukelte. Jacques blickte noch höher und sah einen dreifarbigen Wimpel, den der Wind an einer Mastspitze hin und her bewegte.
    »Ein französisches Schiff«, sagte er, »und noch dazu ein Kriegsschiff.«
    Tatsächlich lag ein staatlicher Aviso, dessen Aufgabe es ist, den Fischfang zu schützen, am Quai vor Anker; die Schaulustigen aus der Umgebung bewunderten mit ernsten Gesichtern die Übungen der Matrosen, die an Deck exerzierten. Jacques konnte dem Wunsch nicht widerstehen, den Fuß auf dieses schmucke Schiff zu setzen und seinen Landsleuten die Hand zu schütteln. Hartnäckig glaubte sich der liebenswürdige Bursche immer noch sechstausend Meilen von seiner Heimat entfernt, irgendwo in Indien oder gar China, und so benahm er sich auch. Er fragte nach dem Kommandanten des Avisos, der sich jedoch nicht an Bord befand; aber der erste Offizier hieß die beiden Franzosen in der Messe willkommen, und hier plauderten sie, mit ein paar Gläschen Sauternes und in den Rauch französischer Zigarren gehüllt, über Paris und Edinburgh. Das Thema Frauen wurde unter den verschiedensten Gesichtspunkten abgehandelt und die Pariserinnen wie immer zu den Königinnen der Welt erklärt.
    Nachdem sie sich eine Stunde lang anregend unterhalten und auch das Schiff besichtigt hatten, beendeten Jacques und Jonathan ihren Spaziergang durch die Stadt. Sie sahen jene Stelle, wo Maria Stuart an Land ging, als sie nach dem Tod von François II. Frankreich verlassen hatte, das sie nie wiedersehen sollte. Immer und überall tauchte diese bezaubernde Königin auf, der gewiß viel vergeben werden wird!
Sechsunddreißigstes Kapitel
Der Zug nach London
    Von der Hafenmole, die eine Meile ins Meer hinaus reicht, betrachtet man den Firth of Forth aus einem neuen, jedoch seltsamen und interessanten Blickwinkel, ebenso die Straße und die Küste bis nach Newhaven, wo das

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