Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
auf diese sonderbaren Einzelheiten aufmerksam und erklärte ihm die Geschichte dieser geheimnisvollen Täler. Hier war der unvergleichliche Bailli Nicol Jarvie, ein würdiger Sohn seines Vaters, des Diakons, von der Landwehr der Grafschaft Lennox unter dem Befehl des Grafen von Montrose gefaßt worden: An eben dieser Stelle blieb er an seinem Hosenboden hängen, der zum Glück aus gutem schottischen Tuch und nicht aus diesem leichten französischen Plunder gemacht war! Nicht weit von den Quellen des Forth, der auf dem Ben Lomond entspringt, sieht man noch die Furt, an der es Rob Roy gelang, den Händen der Soldaten des Herzogs von Montrose zu entkommen. Man kann in diesem aus mehreren Gründen wundervollen Land keinen Schritt tun, ohne auf die Erinnerungen an die Vergangenheit zu stoßen, von denen sich Walter Scott inspirieren ließ, als er in grandiosen Strophen den Ruf zu den Waffen des Mac-Gregor-Clans wiedergab.
Nachdem der Wagen die Ufer des Wildbachs hinaufgeklettert war, gelangte er in eine untere Talmulde ohne Bäume, ohne Wasser, überwuchert von einem harten und dürren Heidekraut; hier und da türmten sich Steinhaufen in Pyramidenform auf.
»Das sind Cairns«, sagte Jacques, »früher mußte jeder, der hier vorüberkam, einen Stein hinzufügen, um dem Helden, der unter diesem Hügel liegt, seine Ehre zu erweisen; daher stammt das gälische Sprichwort: ›Wehe demjenigen, der an einem Cairn vorübergeht, ohne den Stein des letzten Grußes auf ihn zu legen!‹ Wenn die Kinder den Glauben und die Poesie der Steine bewahrt hätten, wären diese Häufchen heutzutage Berge! Was für eine Landschaft! Wie sehr sich diese Bodenerhebungen doch dazu eignen, Poesie hervorzubringen; so ist es in allen Gebirgsländern, denn sie beleben die Einbildungskraft, und die Griechen hätten, wären sie in einer flachen Gegend wie den Landes oder der Beauce aufgewachsen, niemals die Mythologie ersonnen!«
Wenig später drang die Straße in die tiefen Einschnitte eines schmalen Tals vor, den idealen Ort für die ausgelassenen Spiele der Schottland so vertrauten Kobolde, der Brownies der großen Meg Merrilies. Die englischen Touristen blickten unbewegt und gleichgültig in die Runde, ohne das geringste Zeichen von Bewunderung oder Staunen, ohne daß irgendein Gefühl ihr Gesicht aufleuchten ließ; sie erledigten diesen Ausflug wie eine Pflicht, weil er eben zum Reiseprogramm gehörte.
»Wie schade, daß wir nicht allein sind«, dachte Jacques, »man braucht Einsamkeit, um die Poesie dieser Täler und Berge zu verstehen!«
Sie ließen den kleinen Loch Arklet am rechten Ufer liegen, und über einen steilen und gewundenen Hang erreichte der Wagen die Gestade des Loch Katrine, den Gasthof von Stronachlachar. Die
Prinz Albert
hatte zweieinhalb Stunden gebraucht, um die dreißig Meilen des Loch Lomond zurückzulegen, und die Kutsche eine Stunde, um die fünf Meilen zu überwinden, die Inversnaid vom Loch Katrine trennen. Nachdem sie das Trinkgeld berappt hatten, das der Kutscher des Markgrafen von Breadalbane gebieterisch einforderte, sprangen die beiden Freunde vom Wagen.
Vierunddreißigstes Kapitel
Vom Loch Katrine nach Stirling
Nur ein paar Meter vom Gasthof entfernt schaukelte anmutig das kleine Dampfschiff, das den See überquert. Natürlich hieß es
Rob Roy.
Die Passagiere der
Prinz Albert
nahmen auf ihm Platz und mischten sich unter andere Touristen, die aus Aberfoyle kamen; unter ihnen auch zwei Reisende, die Rucksäcke trugen und mit langen Stöcken ausgerüstet waren, deutliche Hinweise auf eine Fußwanderung, und Jacques hätte es ihnen gerne gleichgetan. Die
Rob Roy
setzte sich, von ihrer Schraube angetrieben, in Bewegung, und ihre Maschine, die keinen Kondensator besaß, ließ wie eine Lokomotive nach jedem Kolbenstoß Dampf ab.
Am Anfang sind die Ufer des nur zehn Meilen langen Loch Katrine noch öde und wenig bewaldet, aber die benachbarte Hügelkette steckt voller Charakter und Poesie. Auf diesem See mit seinen stillen Wassern hat Walter Scott die wichtigsten Begebenheiten seiner
Dame vom See
angesiedelt, und man vermeint, noch immer den zarten Schatten der schönen Ellen Douglas über seine Wasser gleiten zu sehen.
Jacques gab sich gerade lieblichen Träumereien hin, als der Klang eines Dudelsacks ihn aus seinen Betrachtungen riß. Auf dem Hinterschiff spielte sich ein Schotte in Highlandertracht auf seiner Bagpipe ein.
»Aufgepaßt!« sagte Jonathan. »Er wird uns den
Trovatore
zum besten geben.«
»Das
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