Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
ging, als ihn sein Nachbar bei der Durchfahrt durch York mit einem kräftigen Stoß weckte und sagte:
»It is York City.«
Jacques war fuchsteufelswild, bekam einen Tobsuchtsanfall und überschüttete den aufdringlichen Gentleman mit französischen Verunglimpfungen; er brauchte seinen gesamten Wortschatz auf, während der Engländer diese Lawine mit einem dümmlichen Lächeln quittierte. Nie zuvor hatte Jacques so sehr bedauert, kein Englisch zu sprechen; er wollte sogar Jonathan zwingen, diesen Insulaner in seiner Muttersprache zu beschimpfen, der Musiker weigerte sich jedoch hartnäckig; als wahrer Philosoph nahm er diese unerfreuliche Situation hin und sorgte sich nur um seinen Reisepaß, der in seinem verschwundenen Koffer eingeschlossen war.
Wenig später ging die Sonne über dem Herzogtum Leicester auf: Ein paar antike Trümmerhaufen, ein paar alte, halb angelsächsische, halb romanische Ruinen waren auf diesem fruchtbaren und von weiten, grünen Wiesen bedeckten Boden zu entdecken; hier und da liegen ausgestreckt und am Morgentau schnüffelnd jene großen Rinder, die den englischen Mägen sowohl Ruhm als auch Trost bescheren. Diese Landschaft ist bezaubernd, die Cottages mehren sich, und lange Reihen kleiner Häuser, eins wie das andere, ziehen sich an den sauber gepflegten Straßen entlang; ein leichter Nebel verwischt diese leicht eintönigen Szenerien und verleiht ihnen ein eigenwilliges Aussehen.
Sobald es Tag wurde, steigerte sich der Lärm im Abteil. Allzu stark duftende Lebensmittel wurden aus unbekannten Tiefen hervorgeholt; Reiseflaschen wurden entkorkt, und ein Gemisch aus jungem Branntwein und altem Schwein erfüllte die überhitzte Luft. Jacques empfand diese Ausdünstungen als um so unangenehmer, als er Hunger und Durst hatte, jedoch ohne die geringste Aussicht, diese zwei Bedürfnisse stillen zu können. Er wollte eines der Fenster öffnen, mußte sich aber dem Widerstand seiner Nachbarn beugen; diese Leute reisten in einem Schwitzkasten und fühlten sich wohl darin.
Unter diesen widrigen Bedingungen schien diese lange Fahrt kein Ende nehmen zu wollen; sie wäre unerträglich gewesen, wenn nicht tausend familiäre Szenen, tausend kleine Sittenbilder zwei scharf beobachtende Augenpaare interessiert hätten. Nach dieser geräuschvollen und schlaflosen Nacht kamen die Gesichter endlich mit ihrer ganzen Ausdrucksvielfalt zum Vorschein; einige dieser Reisenden hatten Edinburgh aus purem Vergnügen besucht, aber die meisten von ihnen nutzten die billige Reise und wanderten tatsächlich aus, oder wanderten vielmehr mit ihren armseligen Familien ein, und ihr ganzes Vermögen steckte in einigen löcherigen Tartans oder mit Tüchern umwickelten Bündeln! Noch ein paar Hungerleider mehr für die große Stadt!
Schließlich veränderte sich die Landschaft ein wenig, die Wege wurden zu Straßen, die Dörfer zu Stadtvierteln; die dicke Luft war von einem trüben Dunst erfüllt, die Fabrikschlote nahmen zu und schleuderten verschwenderisch ihren Anteil an Rauch und Ruß in diesen besudelten Himmel; mal überquerten die Geleise des Railway ganze Straßen, mal versanken sie in finsteren Tunnels. Endlich blieb der Zug stehen. Jonathan stürzte in den Bahnhof hinaus und rannte zum Informationsschalter; er mußte seinen Koffer um jeden Preis wiederhaben. Ein Haufen Pakete, ein Berg Gepäck türmten sich vor ihm auf; alles war bunt durcheinandergemischt, zerquetscht, umgekippt, und aufgrund eines ganz speziellen Schwerkraftgesetzes lagen die großen Pakete auf den kleinen, und die schweren Gegenstände auf den Taschen und Schachteln aus Karton. Für die Verteilung der Gepäckstücke gab es keinerlei festgelegte Ordnung, jeder konnte nehmen, was ihm gefiel. Zuletzt schaffte es Jonathan doch noch, sein arg verbeultes Hab und Gut wieder an sich zu bringen, und ohne lange zu fackeln, sprang er, von Jacques gefolgt, in eines der Cabs, die zuhauf direkt im Bahnhof warteten. Nur wenige Augenblicke später fuhren die beiden Freunde, nach einer dreihundertfünfundneunzig Kilometer langen und in fünfzehn Stunden zurückgelegten Reise, über die New Road und ließen die Northern Railway Station hinter sich.
Achtunddreißigstes Kapitel
Ankunft in London
Dem rat folgend, den ihnen die Familie B. gegeben hatte, ließen sie sich zur London Bridge fahren. Im London Bridge and Family Hotel befanden sie sich in unmittelbarer Nähe der Station der Eisenbahnlinie nach Brighton, die sie nach Frankreich zurückbringen sollte. Sie
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