Reise ohne Ende
der wenigen Frauen, die Science Fiction schrieben und sich nicht hinter einem männlich klingenden Pseudonym versteckten. Und sie fand sehr schnell Zugang zu den Sympathien der SF-Leser, und zwar vor allem mit einem großen Thema, einer imaginären Welt der Zukunft, in der sie mit den Jahren eine Reihe von Romanen ansiedelte. Gemeint ist der Darkover-Zyklus. Hier wird der Planet Darkover geschildert, der einst von den Männern und Frauen eines Kolonistenschiffs besiedelt wurde, das auf diesem Planeten unter einer blutroten Sonne notlandet.
Darkover bleibt lange Zeit auf sich allein gestellt, bevor der Planet eines Tages von den Terranern wiederentdeckt wird.
Man stößt auf eine Kultur, die feudalistisch geprägt ist und auf Psi-Kräften beruht, die bei den sieben herrschenden Familien auftreten. Die einzelnen Romane sind häufig dem Gegensatz zwischen einer mittelalterlich anmutenden Kultur auf der einen Seite und der hochtechnisierten, irdischen Enklave auf der anderen Seite verpflichtet, bemühen daneben aber auch andere Gegensatzpaare: Ratio / Intuition, Alter / Jugend, Heterosexualität / Homosexualität, Technologie / Instinkt, Mann / Frau, Establishment / Counter-Establishment, Bürgertum / Feudalismus, Künstlichkeit / Natur usw. Der Darkover-Zyklus – nicht eigentlich eine Serie, weil die einzelnen Romane nicht zwingend aufeinander aufbauen – ist bei amerikanischen SF-Lesern so populär, daß sich sogar eine eigene Darkover-Fan-Fraktion unter den amerikanischen SF-Fans gebildet hat. Waren die ersten Romane von Marion Zimmer Bradley vor allem spannender Unterhaltung verpflichtet, nutzte die Autorin in der Folge jene Freiräume, die ihr insbesondere der amerikanische SF-Verleger Donald A.
Wollheim bot: Sie durfte ohne Längenbegrenzung und ohne redaktionelle Eingriffe ihre Romane zur Veröffentlichung bringen, eine selbst heute noch nicht selbstverständliche Voraussetzung für SF-Autoren. Ihre Romane wurden fortan nicht nur voluminöser, sondern auch gehaltvoller.
Unaufdringlich und ohne ihre Leser mit langatmigen Traktaten zu plagen und ihnen die erwartete abenteuerliche Unterhaltung zu versagen, gestaltete sie ihre Romane zu Entwicklungsromanen ihrer Protagonisten, versagte sich nicht den einen oder anderen philosophischen Gedanken, sparte Sexualität nicht aus und setzte sich vor allem immer wieder –
versöhnlich, wie es ihre Art ist – für die Gleichberechtigung
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der Frau ein. Neben den Darkover-Romanen veröffentlichte Marion Zimmer Bradley immer wieder mal einen Roman, der nicht vom Licht der blutroten Sonne beschienen wurde.
Hierzu gehören die beiden in dieser Reihe veröffentlichten Romane Die Jäger des Roten Mondes (Hunters of the Red Moon) und Die Flüchtlinge des Roten Mondes (The Survivors), die in Zusammenarbeit mit ihrem Bruder Paul Edwin Zimmer entstanden. Und hierzu gehört der vorliegende Roman Reise ohne Ende (Endless Universe), der durch starke emotionale Szenen beeindruckt. Marion Zimmer Bradley, lange Zeit von vielen etwas herablassend als eine Autorin gesehen, die „nur“ abenteuerliche Unterhaltungsromane schreibt, erweist sich mit ihrer stark ausgeprägten humanistischen Grundeinstellung und ihrer Bereitschaft, Gefühlen Ausdruck zu geben, immer mehr als eine wichtige Gestalt unter den weiblichen SF-Autoren.
Hans Joachim Alpers
∗ Aus dem Darkover-Zyklus erschien in der Reihe Moewig bei Ullstein: Hasturs Erbe (The Heritage of Hastur), Der verbotene Turm (The Forbidden Tower), Die Zeit der hundert Königreiche (Two to Conquer), Landung auf Darkover (Darkover Landfall). Weitere Romane befinden sich in Vorbereitung.
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