Reise um den Mond
man muß gestehen, nie befanden sich Astronomen, wie Faye, Chacornac, Secchi, in einer für die Beobachtung so günstigen Lage.
In der That, unvergleichlich war der Glanz dieser Sternenwelt im klaren Aether; prachtvoll das Feuer, womit diese Diamanten am Himmelsgewölbe leuchteten. Der Blick umfaßte das Firmament vom Kreuz des Südens bis zum Nordstern, den beiden Sternbildern, welche in Folge des Vorrückens der Aequinoctien in zwölftausend Jahren ihre Rollen als Polarsterne abtreten werden, jener südliche an Canopus, der nördliche an Wega. Die Phantasie verlor sich in dem erhabenen unendlichen Raum, worin das Projectil seine Bahn hatte wie ein neues von Menschenhand geschaffenes Gestirn. Diese Sternbilder glänzten in sanftem Licht, aus natürlichem Grunde; sie flimmerten nicht, weil keine Atmosphäre vorhanden war, welche vermittelst ihrer Schichten von ungleicher Dichtheit und verschiedener Feuchtigkeit das Flimmern bewirkt. Diese Sterne waren sanfte Augen, welche in diese tiefe Nacht, in das absolute Schweigen des Raumes herabblickten.
Lange betrachteten die Reisenden in stummem Schweigen das sternbesäete Firmament, auf welchem die große Scheibe des Mondes ein ungeheures schwarzes Loch bildete. Aber eine peinliche Empfindung störte sie endlich in ihrer Betrachtung. Es entstand eine arge Kälte, welche bald die Fenster mit einer dicken Lage Eis überzog. In der That, da die Sonne nicht mehr direct mit warmen Strahlen das Projectil traf, so verlor dieses allmälig die zwischen seinen Wänden eingeschlossene Wärme. Diese Wärme war durch Ausstrahlen rasch in den Raum hinaus verdunstet, und die Temperatur war bedeutend niederer geworden. Die innen befindliche Feuchtigkeit verwandelte sich bei Berührung der Fenster in Eis und hinderte damit jede Beobachtung.
Nicholl befragte das Thermometer und sah, daß es auf siebenzehn hunderttheilige Grad unter Null gesunken war. Daher sah sich Barbicane, trotz aller Gründe für Sparsamkeit, genöthigt, seine Zuflucht zum Gas zu nehmen, um, wie bisher Licht, nun auch Wärme von ihm zu begehren. Die niedere Temperatur im Projectil war nicht mehr zu ertragen.
»Wir wollen uns, bemerkte Michel Ardan, über die Einförmigkeit unserer Reise nicht beklagen! Welche Verschiedenheit, wenigstens der Temperatur! Bald sind wir vom Licht geblendet und mit Wärme so reichlich versehen, wie die Bewohner der Pampa’s! Bald sind wir in tiefe Finsterniß versenkt, mitten in einer nordischen Kälte, wie die Eskimos des Pols! Wahrhaftig nein! Wir haben kein Recht uns zu beklagen, und die Natur macht’s recht so zu unserer Ehre.
– Aber, fragte Nicholl, wie ist die Temperatur außen?
– Gerade so, wie im Planetenraum, erwiderte Barbicane.
– Dann, fuhr Michel Ardan fort, hätten wir wohl Gelegenheit, diese Untersuchung vorzunehmen, welche nicht möglich war, so lange wir von den Sonnenstrahlen umfluthet waren?
– Der Zeitpunkt ist jetzt da, oder nie, erwiderte Barbicane, denn wir sind in günstiger Lage, die Temperatur des Raumes zu untersuchen, und zu sehen, ob die Berechnungen Fourier’s oder Pouillet’s genau sind.
– Jedenfalls ist’s kalt, erwiderte Michel. Sehen Sie nur, wie die Feuchtigkeit an den Fenstern gefriert. Wenn diese Kälte fortdauert, werden die von uns ausgeathmeten Dünste als Schnee um uns herumfallen!
– Machen wir einen Thermometer zurecht«, sagte Barbicane.
Man kann sich wohl denken, daß ein gewöhnliches Thermometer unter den Umständen, wo das Instrument zu gebrauchen war, kein Ergebniß geliefert haben würde. Das Quecksilber würde in dem Glasbehälter gefroren sein, weil es unterhalb zweiundvierzig Grad unter Null nicht mehr flüssig bleibt. Aber Barbicane hatte sich mit einem Thermometer nach Walferdin’s System versehen, welches den niedrigsten Stand äußerst niedriger Temperatur angiebt.
Ehe man das Experiment machte, verglich man das Instrument mit einem gewöhnlichen Thermometer, und Barbicane machte es für die Anwendung zurecht.
»Wie werden wir das anfangen? fragte Nicholl.
– Nichts ist leichter, erwiderte Michel Ardan, den nichts in Verlegenheit setzte. Man öffnet rasch das Fenster, wirst das Instrument hinaus, welches exemplarisch folgsam das Projectil begleitet; eine Viertelstunde nachher zieht man’s wieder herein …
– Mit der Hand? fragte Barbicane.
– Ja wohl, erwiderte Michel.
– Das, mein Freund, probire ja nicht, erwiderte Barbicane, denn Du würdest Deine Hand nur noch als einen Stummel hereinziehen, so
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