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Reise um den Mond

Reise um den Mond

Titel: Reise um den Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Einwirken der Sonnenstrahlen ausgesetzt ist.
    – Einverstanden, erwiderte Nicholl, aber warum sollten diese beiden Bewegungen nicht gleich gewesen sein, da sie’s doch gegenwärtig sind?
    – Weil diese Gleichheit nur durch die Anziehung von Seiten der Erde bewirkt worden ist. Wer sagt uns aber, daß diese Anziehungskraft zur Zeit, als die Erde noch in flüssigem Zustand war, hinreichte, um die Bewegungen des Mondes abzuändern?
    – In der That, erwiderte Nicholl, und wer sagt uns, daß der Mond immer Trabant der Erde gewesen ist?
    – Und wer sagt uns, rief Michel Ardan, daß der Mond nicht weit früher, als die Erde, existirt hat?«
    Die Phantasie verlor sich auf dem unbegrenzten Feld der Hypothesen. Barbicane wollte sie zügeln.
    »Damit gerathen wir, sagte er, in zu hohe Speculationen, wahrhaft unlösbare Probleme. Darauf wollen wir uns nicht einlassen. Nehmen wir nur an, die ursprüngliche Anziehungskraft sei unzureichend gewesen, und dann konnten, wegen Ungleichheit der beiden Bewegungen, um die Achse und um die Erde, die Tage und Nächte in der Weise, wie auf der Erde sich ablösen. Uebrigens ist es selbst ohne diese Bedingungen dort möglich gewesen zu leben.
     

    Umgebung des Projectils. (S. 170.)
     
    – Also, fragte Michel Ardan, wäre das Menschengeschlecht auf dem Mond verschwunden?
    – Ja, erwiderte Barbicane, nachdem es ohne Zweifel einige Tausend Jahrhunderte dort bestanden hatte. Indem die Atmosphäre allmälig dünner wurde, wird der Mond unbewohnbar geworden sein, wie es der Erdball einmal durch Erkalten werden wird.
     

    Praktische Leute. (S. 178.)
     
    – Durch Erkalten?
    – Ohne Zweifel, erwiderte Barbicane. Die Rinde des Mondes ist in dem Verhältniß erkaltet, wie die inneren Feuer erloschen, der glühende Stoff sich zusammenzog. Allmälig traten die Folgen dieser Erscheinung ein: Verschwinden der organisirten Geschöpfe, Verschwinden der Vegetation. Bald wurde die Atmosphäre dünner, wahrscheinlich durch Anziehung von Seiten der Erde entzogen; es verschwand die athmungsfähige Luft, das Wasser durch Verdunsten. Von der Zeit an, wie der Mond unbewohnbar wurde, ist er nicht bewohnt gewesen. Es war eine erstorbene Welt, und so erscheint sie uns jetzt.
    – Und Du sagst, solch ein Loos stehe der Erde bevor?
    – Sehr wahrscheinlich.
    – Aber wann?
    – Wenn sie durch Erkaltung ihrer Rinde unbewohnbar sein wird.
    – Und hat man die Zeit berechnet, wann unser unglücklicher Erdball erkalten wird?
    – Ja wohl.
    – Und Du kennst die Berechnung.
    – Ganz genau.
    – Aber so rede doch, widerlicher Gelehrter, rief Michel Ardan, ich sitze auf Kohlen vor Ungeduld.
    – Nun, mein wackerer Michel, erwiderte Barbicane ruhig, da man die Abnahme der Temperatur während eines Jahrhunderts kennt, so hat man daraus abgenommen, daß diese mittlere Temperatur auf Null herabsinken wird nach Verlauf von vierhundert Jahrtausenden!
    – Vierhundert Jahrtausende! rief Michel. Ach! Jetzt athme ich wieder frei! Wahrhaftig, wie war ich erschrocken! Meinte gar, wir hätten nur noch fünfzigtausend Jahre zu leben!«
    Barbicane und Nicholl konnten sich über die Unruhe ihres Genossen des Lachens nicht enthalten. Darauf stellte Nicholl, um abzuschließen, nochmals die zweite Frage:
    »Ist der Mond bewohnt gewesen?«
    Dieselbe wurde einstimmig bejaht.
    Aber während dieser Unterhaltung, reich an Theorien, die etwas gewagt waren – obwohl sie die über diesen Punkt von der Wissenschaft errungenen allgemeinen Ideen zusammenfaßt – war das Projectil rasch dem Mondäquator näher gekommen, wobei es sich regelmäßig von der Scheibe entfernte. Es war in einer Entfernung von achthundert Kilometer beim Circus Willem vorbei über den vierzigsten Breitegrad hinausgekommen. Darauf, den Pilatus unterm dreißigsten Grad rechts lassend, fuhr es längs der Südseite des Wolkenmeers, dem es im Norden nahe gewesen war. Einige Circus waren im Glanz des Vollmondes unklar zu sehen: Bouillaud, Purbach, fast viereckig mit einem Krater im Mittelpunkt, dann Arzachel, der im Inneren unendlich glänzend leuchtet.
    Endlich, bei zunehmender Entfernung des Projectils, verschwanden die Umrisse vor den Blicken der Reisenden, die Berge wurden in der Entfernung unkenntlich, und von dem wundervollen, bizarren, seltsamen Gesammtbild des Erdtrabanten blieb ihnen bald nur die unvertilgbare Erinnerung.

Neunzehntes Capitel.
Kampf mit dem Unmöglichen.
    Geraume Zeit lang blickten Barbicane und seine Gefährten stumm und nachdenklich auf diese

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