Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Titel: Reise Um Die Erde in 80 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Ein wundervoller See, eingefaßt von schönen, wilden, breitgeschichteten Felsen, die mit weißem Salz überzogen sind, mit prächtigem Wasserspiegel, der vormals einen größern Umfang hatte; aber mit der Zeit, da er allmälig stieg, sind seine Ufer zurückgetreten, und es wurde seine Oberfläche kleiner, seine Tiefe größer.
    Der Salzsee ist etwa siebenzig Meilen lang, fünfunddreißig breit, und liegt dreitausendachthundert Fuß über dem Meeresspiegel. Sehr verschieden von dem Asphaltsee, der zwölfhundert Fuß niedriger liegt, ist er von bedeutendem Salzgehalt, und sein Wasser enthält den vierten Theil seines Gewichts an festem Stoff in Auflösung. Das specifische Gewicht desselben beträgt eintausendeinhundertundsiebenzig gegen eintausend des destillirten Wassers. Daher können auch Fische nicht darin leben; die vom Jordan, Weber und andern Flüßchen hineingeführten kommen bald darin um; aber unbegründet ist die Angabe, sein Wasser sei so dicht, daß ein Mensch darin nicht untersinke.
    Um den See herum war das Feld zum Staunen wohl bebaut, denn die Mormonen verstehen sich auf den Landbau: Meiereien und Stallungen für Hausthiere, Korn-, Mais- und Hirsenfelder, üppiges Wiesenland, überall wilde Rosenhecken, Akazien- und Euphorbiengebüsch, solchen Anblick hätte diese Gegend sechs Monate später gewährt; aber in dem Augenblick war sie mit einer leichten Schneedecke verhüllt.
    Um zwei Uhr stiegen die Reisenden bei der Station Ogden aus. Da der Zug erst um sechs Uhr weiter ging, so hatten Herr Fogg, Mrs. Aouda und ihre beiden Begleiter Zeit, auf der kleinen Bahnstrecke, welche hier abzweigt, sich in die Stadt der Heiligen zu begeben. Zwei Stunden genügten, um diese durch und durch amerikanische Stadt zu besichtigen, die nach dem Muster aller Städte der Union gebaut ist, ein ungeheures Damenbrett mit kalten Linien in traurigen Rechtwinkeln. Der Gründer der Stadt der Heiligen konnte sich dem Bedürfniß der Symmetrie, welches die Angelsachsen kennzeichnet, nicht entziehen. In diesem sonderbaren Lande, wo die Menschen nicht ebenso vorzüglich sind, wie die Institutionen, macht sich alles »viereckig«, die Städte, die Häuser und die Dummheiten.
    Um drei Uhr wandelten also die Reisenden durch die Straßen der Stadt, welche zwischen dem Jordanufer und den ersten Hügeln des Wahsatchgebirges liegt. Sie bemerkten darin wenig oder keine Kirchen, aber als Monumente [183] das Haus des Propheten, das Gerichtshaus und das Arsenal; sodann Häuser von bläulichem Ziegelstein mit Verandas und Galerien, von Gärten und von Reihen Akazien-, Palm- und Johannisbrodbäumen umgeben. Eine im Jahre 1853 erbaute Mauer von Thon und Kieseln lief um die Stadt. In der Hauptstraße, wo auch der Markt gehalten wird, standen einige mit Fahnen gezierte Gasthöfe, unter anderm das Salzseehaus.
    Herr Fogg und seine Begleiter fanden die Stadt nicht sehr bevölkert. Die Straßen waren fast menschenleer, – ausgenommen jedoch die Gegend des Tempels, wohin sie erst kamen, nachdem sie mehrere mit Palissaden umgebene Quartiere durchwandert hatten. Die Frauen waren sehr zahlreich, was aus der eigenthümlichen Einrichtung des Hausstandes der Mormonen erklärlich wird. Doch muß man nicht meinen, alle Mormonen hätten mehrere Frauen. Man ist frei, aber zu merken ist, daß besonders die Bürgerinnen von Utah darauf versessen sind, verheiratet zu sein, weil den Religionsbegriffen des Landes nach die unverheirateten Frauen nicht in's Himmelreich kommen. Diese armen Geschöpfe schienen weder glücklich noch im Wohlstand zu leben. Einige, ohne Zweifel die reicheren, trugen eine schwarzseidene Jacke, die oben offen war, unter einer Kapuze oder sehr bescheidenem Shawl. Die anderen hatten nur Indianertracht.
    Passepartout als Junggeselle von Ueberzeugung sah nur mit einem gewissen Schrecken, wie es diesen Mormonenweibern oblag, gemeinsam mit andern das Glück eines einzigen Mormonen auszumachen. Seinem gefunden Verstand nach war der Mann besonders zu beklagen. Es schien ihm eine schreckliche Aufgabe, so viele Frauen miteinander durch die Wechselschicksale des Lebens zu geleiten, sie also truppweise zum Mormonenparadies zu führen, mit der Aussicht, sie dort für ewig in Gesellschaft des glorreichen Smyth wieder zu finden, welcher die Zierde dieses Ortes der Seligkeit sein mußte.
    Der Salzsee. (S. 182.)
     
    Dazu fühlte er sicherlich keinen Beruf in sich, und er fand – vielleicht täuschte er sich hierin – daß die Bürgerinnen

Weitere Kostenlose Bücher