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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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Oder heimlich in sich hineinkichern? Über den verrückten Alten mit den abseitigen Ideen. Aber was soll's! Was habe ich zu verlieren? Nichts und wieder nichts! Die Achtung, die ich einst so sorgfältig um mich herum aufgebaut habe, liegt längst am Boden, letzte Reste locken bestenfalls ein müdes Lächeln hervor. Was hatte Anton, mein einziger Sohn, mein einziges mir verbleibendes Kind, mein Nachfolger und Erbe auf der Treppe zu mir gesagt: Lass uns ein wenig fröhlich sein! Er meinte: Sei ein wenig fröhlich, Alter! Ist dies wirklich zu viel verlangt? Warum so geizig mit einem noch so bescheidenen Zeichen der Nähe, der Zuneigung, dem Werben um Verständnis? Will ich sagen: Ich bin allein auf der Welt? Ich brauche Euch nicht, geht doch wohin Ihr wollt. Meinetwegen zum Teufel! Lasst mich in Ruhe! Sagte ich mir nicht: Durch den Abschied von Glorie habe ich die Angst vor dem Tod verloren. Du brauchst ihr nur zu folgen, sie hat den Weg bereitet. Wenn es aber so ist, warum dann die Griesgrämerei, das Mäkeln, das Misstrauen? Warum genieße ich nicht meine späten Tage? Wenn sich die anderen mit ihrer Meinung über mich festgelegt haben, mag ich in ihren Augen zu einer Grimasse geschrumpft sein: Warum zerschlage ich nicht den Zerrspiegel, in dem sie mich zu erkennen glauben? Verwirre sie, lehre sie Besseres, Neues! Dreh Dich herum, wie eine Spielkarte, vertausche die farblose, beliebige, hintere Seite, die auf dem Tisch liegt, mit dem Vorderteil der Karte: Siehe da, ein Herzkönig, der alles sticht – bis auf das Ass. Wenn das Ass ausgespielt wird, dann, aber erst dann, senke Deine Fahne und gebe Dich geschlagen.
    Morgens in aller Frühe, er wusste es, war Ann im Garten zu finden. Sie sagte, sie liebe den Duft des zeitigen Morgens, den Tau, der sich, wenn die Sonne sich sehen lässt, auflöst. Der alte Mann war früh wach geworden, hatte auf das morgendliche Grübeln und Überdenken im Bett verzichtet, war stattdessen aufgestanden und hatte sich den Morgenmantel übergeworfen, war so gut es ging in den Garten zu ihr geeilt. Es war in der Tat ein herrlicher Tag, der sich ankündigte, der nach all dem Regen und den niedrigen, dunklen Wolken der letzten Woche sich anschickte, die Welt neu zu erschaffen. Er ging mit nackten Füßen, Schrittchen für Schrittchen, durch das feuchte Gras. Hoch über ihm zog ein Flugzeug einen weiten Bogen. Er hörte das Pfeifen und Zwitschern der Vögel, glaubte ein Eichhörnchen zu erkennen. Die Beine wollten heute nicht so recht, schlimmer als je zuvor. Er blieb stehen, versuchte sich zu beruhigen. Die Krankheit nahm wohl ihren Verlauf. Jetzt stand er hinter ihr, sie wandte ihm den Rücken zu, konnte ihn nicht sehen. Ann hockte auf dem Boden, neben sich im Gras einige junge Setzlinge, eine kleine Schaufel in der Rechten, in der anderen ein Handrechen, mit dem sie das Erdreich lockerte. Er beugte sich über sie:
    »Darf ich Dir die Pflanzen reichen? Vielleicht erleichtert Dir . . .«
    Ein erstaunter Blick traf ihn von unten:
    »Schon auf? Was ist passiert? Bitte, bemühe Dich nicht. Es ist besser, Du setzt Dich auf die Bank, strengst Dich nicht an. Das sollst Du doch nicht!«
    »Ich strenge mich nicht an. Wenn ich Dir ein wenig zur Hand gehe, macht mir das Freude.«
    Ein zweiter ungläubiger Blick:
    »Um Gottes Willen, was ist bloß heute mit Dir los? Ich hoffe, Dir fehlt nichts weiter!«
    »Was soll mir fehlen? Ich habe mich gefreut, Dich vom Fenster aus im Garten zu sehen. Und mir gesagt: Mein gutes Weibchen ist schon fleißig.«
    Ann erhob sich mühsam, stützte mit den Händen ihre Seite:
    »Ich bin den ganzen Tag über fleißig: Das Haus, der Garten und vor allem Du, Albert, mit Deiner Krankheit, das hält mich ganz schön auf Trab. Siehst du das alles? Oder glaubst du, alles erledige sich von alleine?«
    Der alte Mann stampfte leicht mit seinem Fuß auf den Grasboden:
    »Nein, nein, ich bewundere Dich, ich bin Dir dankbar, Du machst alles wundervoll, wie keine andere.«
    Ann zog ihr Leinenkleid gerade, lächelte flüchtig:
    »Jetzt brauche ich einen Schluck Kaffee auf den Schreck am Morgen! Lass uns hineingehen. Die Blumen können warten. Sie beschweren sich nicht.«
    Er packte sie am Arm, als sie ihm vorauseilen wollte:
    »Bitte, hör mir zu, Ann, ich liebe Dich. Hörst Du, ich liebe Dich!«
    Sie löste gedankenverloren seine Hand von ihrem Arm, den er mit erstaunlicher Kraft festhielt, berührte für einen Augenblick mit ihrer Handfläche seine ausgestreckten Finger, sagte dann

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