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Reise zu Lena

Reise zu Lena

Titel: Reise zu Lena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Neven DuMont
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nicht allein zurücklassen. Nun neigt sich die Waagschale ganz zu ihrer Seite: Ich reise heute noch. Es ist alles vorbereitet. Die gute Irma hat mir versprochen, dass sie jeden Tag kommt, sie kauft ein, kümmert sich um das Haus, macht eine warme Mahlzeit für Dich. Sie ist auch bereit, Dir darüber hinaus zur Hand zu gehen. Außerdem gibt es Anton, jeden zweiten Tag schaut er ohnehin herein, den Hausschlüssel habe ich ihm bereits . . . Ja, und dann Erwin, er wohnt ja nicht weit. Es ist ja nur für ein paar Tage.«
    Er sah zu Boden:
    »Also Du hast entschieden: Du reist ohne mich zu Mary, ich verstehe. Schade, es wird kein Walzer mehr getanzt.«
    Ann war mittags gefahren. Der alte Mann hatte noch lange den laufenden Motor des Taxis im Ohr. Albert nahm vor dem Haus von ihr Abschied, sie lagen sich für einen Augenblick in den Armen, er versuchte seine Arme zu lockern, den Oberkörper zu entspannen: eine innige Umarmung, wie lange nicht mehr. Über ihre Schulter blickte er in das Gesicht des Fahrers, ein freundliches Gesicht, die Bartstoppeln schon einige Tage alt: Der Mann betrachtete das alte Paar, das sich in den Armen lag, und nickte leicht mit dem Kopf, Albert glaubte, einen Anflug von Mitgefühl in den Augen des Fahrers zu erkennen, nein, mehr: Bewunderung.
    Dann nahm er das leichte Mittagsmahl zu sich, das Ann für ihn gekocht hatte. Es schmeckte ihm gut und es machte ihm nichts aus, allein am Küchentisch zu sitzen. Er dachte an Ann, wie gut sie doch für ihn sorgte. Ob er alleine, trotz Irmas Hilfe für die Tage, die anstehen, zurechtkommen würde?
    Sein Mittagsschlaf dauerte länger, war wohltuender als an den Tagen zuvor. Seine Wolljacke hing über dem Stuhl. Er lag mit geöffnetem Gürtel auf seinem Bett und lauschte hinunter ins leere Haus, die Tür war angelehnt. Das Fenster zum Garten stand offen, und er freute sich über die hereinfallenden Sonnenstrahlen. Ein unbekanntes Gefühl bemächtigte sich seiner: Er ist allein. Niemand ist im Haus, nur er. Niemand wird kommen oder gehen, keiner, der ihn unterbricht, unterbricht in seinen Gedanken. Irma war ohnehin wortkarg, brachte kaum einige Silben hervor, Fragen zumeist. Und Anton? Der war gefesselt an die Firma, so wie er es einst war, froh, wenn er, Albert, seine Hilfe nicht in Anspruch nahm. Anton, der Sohn, der alles besser machte, gradlinig, konsequent, erfolgsorientiert, der Erbe und Chef, der Erbe des Großvaters, des Gründers. Er, Albert, war nur Statthalter, eine Durchlaufposition, Schwiegersohn und Prinzgemahl, wie er schon am Polterabend seiner Hochzeit mit Ann geneckt wurde. Sicher langsamer, abwägender und zurückhaltender, wie er glaubte, als es seine Position erforderte. Er trug den Doppelnamen, hatte den Nachnamen seiner Frau angehängt, wie es der Situation angemessen war, damals noch ungewöhnlich.
    Während er auf seinem Bett liegt, fast schwerelos, schreitet er neben ihr durch den Garten, sie lächelt:
    »Es ist so schön, Frieden zu geben.«
    »Ich sagte doch nichts.«
    Schweigen. Sie gehen im Kreis, langsam, fast gravitätisch, so als wären sie ein Glied in einer sich dahinziehenden Prozession. Sie bleibt stehen:
    »Der Rasen muss geschnitten werden. Du hast nasse Füße. Ich gebe dem Gärtner Bescheid.«
    Sie steht hinter ihm, betrachtet aufmerksam seinen Rücken, der sich unter seinem Hemd krümmt, berührt leicht seine Haare, die auf seinen Nacken herunterfallen, Haare, wie er sie trug, bevor sie heirateten. Sie meinte, so seien sie zu wild, das elterliche Unternehmen, die Schwiegereltern:
    »Wie schön Deine Haare sind! Ich hatte es vergessen.«
    Albert spürt, wie seine Hände zittern, wie immer, wenn er sich erregt, er hält sie tief in seiner Hosentasche. Ann lacht, immer noch hinter ihm, wie sie es lange nicht mehr getan hat, sie lacht kaum wahrnehmbar über eine lange Weile:
    »Du brauchst Deine Hände nicht zu verstecken, mein Lieber. Es gibt keinen Grund, Deine Freude zu verstecken. Und ich sage dem Gärtner Bescheid . . .«
    Ihre Stimme verhallt leise.
    »Wir brauchen den Gärtner nicht, liebe Ann, ich werde die Arbeit übernehmen. Den Rasen schaffe ich leicht in zwei Stunden, ehe Du Dich versiehst.«
    Er wendet sich um. Sie ist verschwunden.
    Am Abend schlief er schnell ein. Alle Gedanken hatten ihn verlassen, sein Kopf machte Ferien. Und er schlief die Nacht durch, so gut wie schon lange nicht mehr. Am anderen Morgen tastete er nach den Hemdknöpfen, er trug noch immer das Hemd von gestern, niemand hatte es

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