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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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das Eisfeld hier! Der Weg nach England führt dahinunter, nach Süden, nicht dorthinauf nach Norden!
    – Ja, sagte Bell, Herr Clawbonny hat Recht, wir müssen uns ohne Zögern aufmachen. Bis jetzt haben wir die Heimat und Alle, die uns dort lieb und theuer sind, zu sehr vergessen.
    – Das ist also Ihre Ansicht, Johnson, fragte Hatteras noch einmal.
    – Ja, Kapitän.
    – Und die Ihre, Doctor?
    – Auch die meine, Hatteras.«
    Noch immer verharrte dieser Letztere schweigend; seine Gesichtszüge verriethen aber wider seinen Willen, was in ihm vorging. An die Entscheidung, welche er zu fällen im Begriff war, knüpfte sich ja das Schicksal seines ganzen Lebens. Wenn er jetzt zurückkehrte, war es wohl mit seinen kühnen Entwürfen für immer vorbei; er konnte nicht hoffen, zum vierten Male ein derartiges Unternehmen zu Stande zu bringen.
    Wieder ergriff der Doctor, da der Kapitän noch immer schwieg, das Wort:
    »Lassen Sie mich noch erwähnen, Hatteras, sagte er, daß wir keinen Augenblick zu verlieren haben; wir werden den Schlitten mit allem disponiblen Proviant und soviel Holz beladen müssen, als eben möglich ist. Ein Weg von sechshundert Meilen wird unter solchen Umständen lang, ich weiß das, aber nicht ohne Ende sein; wir können oder müßten vielmehr jeden Tag zwanzig Meilen zurücklegen, um binnen einem Monate, d.h. gegen den 26. März, die Küste zu erreichen …
    – Aber, sagte Hatteras, könnten wir nicht einige Tage damit warten?
    – Worauf hoffen Sie? fragte Johnson.
    – Weiß ich das? Wer kann die Zukunft durchschauen? Nur einige Tage noch! Wir wollen unseren erschöpften Kräften aufhelfen. Keine zwei Tagereisen würdet Ihr zurücklegen und vor Müdigkeit umsinken, ohne ein Eishaus zum Schutze zu haben.
    – Aber hier erwartet uns ein furchtbarer Tod! rief Bell.
    – Freunde, sagte Hatteras fast mit bittender Stimme, Ihr verzweifelt etwas zu früh. Schlüge ich vor, im Norden den Weg des Heils zu suchen, so würdet Ihr mir wohl nicht folgen mögen. Uebrigens, leben ganz nahe am Pole nicht auch noch Eskimos, wie am Smith-Sunde? Jenes offene Meer, dessen Existenz so gut wie sicher ist, muß wieder von Festland umspült sein. Die Natur verfährt logisch in allen ihren Werken. So muß man auch annehmen, daß die Vegetation da wieder zum Leben erwacht, wo der heftige Frost aufhört. Haben wir nicht ein Land in Aussicht, das unser im Norden harrt, und welches Ihr auf Nimmerwiederkehr fliehen wollt?«
    Hatteras wurde lebhafter durch die Rede; sein erregter Geist malte ihm Lieblingsbilder dieser doch so sehr problematischen Gegenden vor.
    »Noch einen Tag nur, wiederholte er, nur noch eine Stunde!«
    Doctor Clawbonny fühlte sich bei seinem abenteuerlustigen Charakter und regen Vorstellungsvermögen schon halb gewonnen; er wollte bereits nachgeben.
    Doch Johnson, der überlegender und kühler war, rief ihn noch zur Vernunft und Pflicht zurück.
    »Frisch auf, Bell, rief dieser, zum Schlitten!
    – Vorwärts denn! antwortete Bell.
    – O, Johnson! Auch Sie! Auch Sie! sagte der Kapitän, doch, es ist gut, geht, geht Alle! Ich bleibe!
    – Kapitän! fiel Johnson ein und blieb wider Willen stehen.
    – Ich bleibe, sage ich! Reist ab! Verlaßt mich so gut, wie die Anderen! Geht mit Gott! Komm her, Duk, wir Beide halten aus!«
    Bellend schmiegte sich das treue Thier an seinen Herrn.
    Johnson sah den Doctor an. Dieser war zweifelhaft, was er thun sollte, das Beste schien zu sein, Hatteras dadurch zu beruhigen, daß man für einen Tag auf seine Ideen einging. Der Doctor war schon dazu entschlossen, als er plötzlich seinen Arm berührt fühlte.
    Er drehte sich um. Der Amerikaner hatte seine Decken abgeworfen, er lag noch auf dem Boden, mühsam erhob er sich auf die Kniee und von seinen Lippen quollen einige unarticulirte Laute.
    Erstaunt, fast erschrocken sah ihn der Doctor schweigend an. Hatteras seinerseits näherte sich ihm und nahm ihn forschend scharf in’s Auge. Er suchte die Worte zu errathen, die der Kranke nicht auszusprechen vermochte. Nach minutenlanger Anstrengung ward endlich ein Wort hörbar.
    »Porpoise …
    – Der Porpoise! rief der Kapitän aus.
    – Der Amerikaner bejahte durch Zeichen.
    – In diesen Gewässern?« frug Hatteras klopfenden Herzens.
    Der Kranke gab dieselbe Antwort.
    »Im Norden von hier?
    – Ja! erwiderte der Unglückliche.
    – Und Sie wissen seinen Ort?
    – Ja!
    – Genau?
    – Ja wohl!« sagte Altamont.
    Einen Augenblick schwieg Alles; gespannt horchten die Zuschauer

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