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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wenn ihn auch die Stöße beim Fahren mit erneuten Schmerzen bedrohten. Er hatte dem Doctor zu verstehen gegeben, daß er an Bord des Porpoise alle antiscorbutischen Medicamente, die zur Wiederherstellung des Kranken so nöthig waren, vorfinden werde.
    Man trug ihn also in den Schlitten, auf dem er so bequem als möglich gelagert wurde. Die Hunde, und Duk mit, wurden angeschirrt; noch einen letzten Blick sandten die Reisenden nach dem Eisbette zu, wo der Forward gelegen hatte. Einmal schien ein aufwallender Zorn in Hatteras’ Geberden aufzublitzen, aber er bezwang sich, und die kleine Gesellschaft verschwand bald, bei trockener, heiterer Witterung, in den Nebeln gegen Nord-Nord-Westen.
    Ein Jeder nahm seinen gewohnten Platz ein; Bell ging voraus, der Doctor und der Rüstmeister zu Seiten des Schlittens, den sie im Auge hatten und wenn nöthig die Hunde antrieben; Hatteras machte den Schluß; er berichtigte den Weg und hielt Alle in gerader Linie.
    Der Marsch ging ziemlich schnell vorwärts; bei der so niedrigen Temperatur bot das Eis eine eben so feste, als glatte Oberfläche; die Hunde strengten sich mit ihrer Last, welche kaum neunhundert Pfund betrug, nicht übermäßig an. Aber Menschen und Thiere kamen bald außer Athem und mußten anhalten, um Luft zu schöpfen.
    Gegen sieben Uhr Abends brach das röthliche Bild der Mondscheibe durch die Nebel des Horizontes. Ihre ruhigen Strahlen erhellten die Atmosphäre, und wurden glänzend von den blanken Eisspiegeln zurückgeworfen. Gegen Nordwesten zeigte sich das Eisfeld als eine grenzenlose, weiße, vollkommen ebene Fläche. Keine Erhöhung, kein Spitzhügel war sichtbar. Dieser Theil des Meeres schien ruhig, wie ein friedlicher See, erstarrt zu sein.
    Es war eine unendliche, flache, einförmige Wüste.
    So war der Eindruck, den der Doctor von dem Bilde empfing, und den er seinem Begleiter mittheilte.
    »Sie haben Recht, Herr Clawbonny, erwiderte Johnson, eine Wüste ist es, aber mindestens werden wir in ihr nicht verdursten.
    – Das ist zwar ein Vortheil, meinte der Doctor, doch ihre ungeheure Ausdehnung giebt mir die Gewißheit, daß wir noch sehr weit von jedem Lande entfernt sind; gewöhnlich wird die Nähe einer Küste durch eine Menge Eisberge bezeichnet, aber nichts Derartiges ist ringsum zu sehen.
    – Der Horizont ist durch den Nebel sehr beschränkt, antwortete Johnson.
    – Gewiß, aber seit unserem Aufbruch sind wir nur über eine Fläche gezogen, die nicht enden zu wollen scheint.
    – Wissen Sie, Herr Clawbonny, daß wir übrigens auf recht gefährlichen Wegen sind? Man gewöhnt sich und denkt nicht daran, und doch birgt das Eis, über das wir gleiten, genug grundlose Klüfte!
    – Sie haben Recht, Freund, aber wir brauchen nicht zu fürchten, verschlungen zu werden. Der Widerstand dieser weißen Decke ist bei einer Kälte von dreiunddreißig Graden ganz beträchtlich! Denken Sie ferner daran, daß diese tagtäglich im Zunehmen ist, denn unter diesen Breiten fällt an neun Tagen unter zehn Schnee, selbst im April, im Mai, ja noch im Juni; und ich glaube, daß die größte Stärke der Lage wohl dreißig bis vierzig Fuß betragen dürfte.
    – Das ist beruhigend, sagte Johnson.
    – Wahrlich, wir sind nicht in der Lage, wie die Schlittschuhläufer auf dem Serpentine River, denen der zerbrechliche Boden jeden Augenblick unter den Füßen zu schwinden droht; solche Gefahr haben wir nicht zu befürchten.
    – Kennt man vom Eise die Größe des Widerstandes? fragte der alte Seemann, der in Gesellschaft des Doctors gern Etwas zu lernen suchte.
    – Vollkommen, entgegnete der Doctor. Was in der Welt wäre, Dank dem menschlichen Wissensdrange, noch nicht gemessen worden! Ist es nicht derselbe Drang, der uns hier gegen den Nordpol treibt, welchen der Mensch endlich kennen zu lernen verlangt? Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen, so kann ich diese etwa insoweit beantworten: Bei einer Dicke von zwei Zollen trägt das Eis einen Menschen; bei drei und einem halben Zolle einen Reiter sammt Pferd; bei fünf Zollen einen Achtpfünder; bei acht Zollen ein vollkommen bespanntes Feldgeschütz; bei zehn Zollen endlich eine ganze Armee, überhaupt eine beliebig vertheilte Last. Auf der Stelle, wo wir hier gehen, könnte man die Zollspeicher von Liverpool oder die Londoner Parlamentsgebäude errichten.
    – Das ist nur schwer zu begreifen, sagte Johnson, aber Herr Clawbonny, Sie sprachen auch von dem Schneefall, der in diesen Gegenden an neun Tagen unter zehn einträte;

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