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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Fand er die Welt zu klein, weil er bis an ihr Ende gedrungen war?
    Wie dem auch sein mochte, er konnte nicht schlafen. Und doch war diese erste am Pol verbrachte Nacht rein und ruhig. Die Insel war völlig unbewohnt: kein Vogel in der vulkanischen Luft, kein Thier auf dem aschebestreuten Boden, kein Fisch in seinem siedenden Gewässer; nur in der Ferne vernahm man das dumpfe Getöse des Berges, aus dessen Gipfel glühende Rauchsäulen empordrangen.
    Als Bell, Johnson, Altamont und der Doctor aufwachten, fanden sie Hatteras nicht in ihrer Nähe. Sie verließen unruhig die Grotte und sahen den Kapitän auf einem Felsen stehen, den Blick unverwandt auf den Gipfel des Vulkans gerichtet. Er hielt seine Instrumente in der Hand und hatte offenbar eine genaue Aufnahme des Berges vorgenommen.
    Der Doctor ging auf ihn zu und redete ihn mehrmals an, ehe er ihn aus seiner Gedankenvertiefung ziehen konnte. Endlich schien der Kapitän ihn zu verstehen.
    »Vorwärts! sagte der Doctor zu ihm, der ihn aufmerksam betrachtete, vorwärts; wir wollen unsere Insel ganz durchstreifen; wir sind zu unserm letzten Ausflug bereit.
    – Dem letzten, sagte Hatteras mit der Betonung von Leuten, welche laut träumen; ja, dem letzten, wirklich. Der ist aber auch, fuhr er mit großer Lebhaftigkeit fort, der merkwürdigste!«
    Indem er so sprach, strich er mit beiden Händen über seine Stirn, um die Wallungen im Innern zu beruhigen.
    In diesem Augenblick kamen Altamont, Johnson und Bell dazu, und Hatteras schien aus seinem Traumzustande heraus zu kommen.
    »Meine Freunde, sprach er mit gerührter Stimme, ich danke für Ihren Muth, Ihre Ausdauer, Ihre übermenschlichen Anstrengungen, durch welche es uns möglich geworden ist, dies Land zu betreten!
    – Kapitän, sagte Johnson, wir haben nur gehorcht, und Ihnen allein gebührt die Ehre.
    – Nein! Nein! fuhr Hatteras mit leidenschaftlicher Wärme fort, Euch Allen gleich mir! Altamont ebenso wie uns Allen! Wie dem Doctor selbst! O, lassen Sie mein Herz seine Empfindungen ausgießen! Es kann seine Freude und Erkenntlichkeit nicht mehr zurückhalten!«
    Hatteras drückte seinen Gefährten auf’s Herzlichste die Hand. Er ging unruhig hin und her und war nicht mehr Herr seines Geistes.
    »Wir haben nur als Engländer unsere Schuldigkeit gethan, sagte Bell.
    – Unsere Freundespflicht, erwiderte der Doctor.
    – Ja! fuhr Hatteras fort, aber diese Pflicht haben nicht Alle zu erfüllen verstanden. Einige sind erlegen! Doch muß man ihnen verzeihen, denen, welche Verrath geübt haben, wie denen, welche sich zum Verrath fortreißen ließen! Die Armen! Ich verzeihe ihnen. Sie verstehen mich, Doctor!
    – Ja, erwiderte dieser, ernstlich beunruhigt durch die erhöhte Geistesspannung Hatteras’.
    – Auch will ich nicht, fuhr der Kapitän fort, daß das kleine Vermögen, um dessenwillen sie die weite Fahrt unternahmen, ihnen verloren sei. Nein! Nichts soll an meinen Verfügungen geändert werden, und sie sollen reich sein … wenn sie jemals nach England zurück kommen!«
    Man konnte sich der Rührung nicht erwehren, wenn man den Ton hörte, womit Hatteras diese Worte sprach.
    »Aber, Kapitän, sagte Johnson, der zu scherzen suchte, man sollte meinen, Sie machen Ihr Testament.
    – Vielleicht, erwiderte Hatteras ernst.
    – Doch haben Sie ein schönes und langes Leben voll Ruhm vor Augen, versetzte der alte Seemann.
    – Wer weiß!« sagte Hatteras.
    Langes Schweigen folgte auf diese Aeußerung. Der Doctor wagte nicht den Sinn dieser letzten Worte zu deuten.
    Aber Hatteras ließ bald die Deutung finden; mit hastiger, kaum zurückgehaltener Stimme fuhr er fort:
    »Meine Freunde, hören Sie mich an. Bis jetzt haben wir viel geleistet, und doch bleibt noch viel zu thun übrig.«
    Mit tiefem Erstaunen sahen die Gefährten des Kapitäns einander an.
    »Ja, wir sind am Land des Pols, aber noch nicht am Pol selbst!
    – Wie so? fragte Altamont.
    – Das wäre! rief der Doctor, mit ahnender Besorgniß.
    – Ja! fuhr Hatteras mit Nachdruck fort. Ich habe gesagt, ein Engländer werde den Fuß auf den Pol des Erdballs setzen; das hab’ ich gesagt, und ein Engländer wird es ausführen.
    – Was? … erwiderte der Doctor.
    – Wir sind noch fünfundvierzig Secunden von dem unbekannten Punkt entfernt, fuhr Hatteras mit zunehmendem Feuer fort, und da, wo er ist, werd’ ich hindringen!
    – Aber der Gipfel dieses Vulkans ist’s, sagte der Doctor.
    – Ich dringe hin!
    – Ein unzugänglicher Kegel!
    – Ich gehe hin.
    –

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