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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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heitere Geschichten zu erzählen, während die noch gesunden Leute dicht um den Ofen herum saßen; aber manchmal ward er durch das Jammern, das verzweifelnde Schreien der Kranken unterbrochen; da brach er seine Geschichte ab und ward wieder der achtsame, liebevolle Arzt.
    Uebrigens dauerte seine Gesundheit aus; er ward nicht mager, seine Wohlbeleibtheit war ihm die beste Kleidung, und er sagte, es bekomme ihm recht gut, daß die Natur ihn gleich einem Robben oder Wallfisch ausgestattet habe, welche ihrem dicken Fett verdanken, daß sie die Strenge des Polarklimas leicht ertragen.
    Hatteras hatte weder physisch noch moralisch zu leiden; es schienen ihn nicht einmal die Leiden seiner Mannschaft zu rühren. Vielleicht hielt er nur seine Gemüthsbewegungen zurück; und ein achtsamer Beobachter hätte wohl bisweilen bemerkt, daß unter der eisernen Umhüllung ein Menschenherz schlug.
    Das Thermometer sank noch mehr; der Spazierplatz des Verdecks blieb leer; nur die Eskimo-Hunde liefen mit kläglichem Bellen darauf herum.
    Unter solchen unsäglichen Qualen kam der 8. December heran. An diesem Morgen, als der Doctor, wie gewöhnlich, nach dem außen befindlichen Thermometer sah, fand er das Quecksilber in der Kugel fest gefroren.

    »Vierundvierzig Grad unter Null!« sagte er mit Schrecken.
    Und an diesem Tage schob man das letzte Stücklein Kohle in den Ofen.
Siebenundzwanzigstes Capitel.
Die große Weihnachtskälte.
    Das war ein Moment zum Verzweifeln. Sterben, vor Kälte zu sterben, der Gedanke trat schauerlich vor die Seele; das letzte Stück Kohle brannte mit unheimlichem Knistern; bereits drohte das Feuer auszugehen, und die Temperatur des Saales fiel merklich. Aber Johnson holte nun einige Stücke des neuen Brennmaterials, das ihm die Seethiere geliefert hatten, und füllte damit den Ofen; er fügte Werg zu dem gefrorenen Oel, und bekam bald hinreichende Wärme. Der Geruch dieses Fettes war zwar unausstehlich; aber wie konnte man ihn los werden? Man mußte sich darein ergeben. Johnson gab selbst zu, daß sein Hilfsmittel etwas zu wünschen übrig lasse, und in den Bürgerhäusern Liverpools gar nicht anwendbar wäre.
    »Und doch, fügte er bei, führt dieser widerliche Geruch vielleicht noch anderes Gute herbei.
    – Und was denn? fragte der Zimmermann.
    – Ohne Zweifel wird er die Bären dieser Küste herbeilocken, denn sie sind auf diese Dünste erpicht.
    – Gut, entgegnete Bell, und muß man denn Bären haben?
    – Freund Bell, erwiderte Johnson, auf die Robben dürfen wir nicht mehr rechnen; sie sind für lange Zeit verschwunden; wenn die Bären nicht ihrerseits zu dem Brennstoff ihren Beitrag liefern, weiß ich nicht, was aus uns werden soll.
    – Du hast Recht, Johnson; unser Schicksal ist noch lange nicht gesichert; diese Lage ist zum Erschrecken. Und wenn diese Gattung Brennmaterial uns abgeht, seh’ ich kein Mittel weiter …
    – Es gäbe noch eins! …
    – Noch eins? erwiderte Bell.
    – Ja, Bell! Wenn es zum Verzweifeln ist … aber nie wird der Kapitän … Und doch, er muß vielleicht darauf kommen.«
    Der alte Johnson schüttelte traurig den Kopf, und verfiel in stille Gedanken, woraus Bell ihn nicht reißen wollte. Er wußte, daß diese so mühsam erworbenen Stücke Fett trotz strengster Sparsamkeit nicht für acht Tage reichen würden.
    Der Rüstmeister hatte sich nicht geirrt. Die stinkenden Dünste zogen einige Bären herbei; die noch gesunden Männer machten Jagd auf sie; aber diese Thiere sind mit einer merkwürdigen Schnelligkeit begabt, und mit einem Scharfsinn, woran alle Listen scheitern. Man konnte ihnen nicht mehr nahe kommen, und die geschicktesten Kugeln konnten sie nicht erreichen.
    Die Mannschaft der Brigg war ernstlich in Gefahr, vor Kälte zu sterben.
    Es war unmöglich, achtundvierzig Stunden bei einer solchen Temperatur auszuhalten. Jeder sah mit Schrecken den Zeitpunkt herankommen, da man mit dem letzten Stück Fett zu Ende sein werde.
    Das war nun am 20. December, um drei Uhr Nachmittags, der Fall; das Feuer erlosch; die Matrosen um den Ofen herum sahen sich starr an. Hatteras rührte sich nicht in seiner Ecke; der Doctor ging, wie gewöhnlich, lebhaft hin und her; er wußte nicht mehr, worauf er sinnen sollte.
    Die Temperatur fiel im Saal plötzlich auf sieben Grad unter Null (– 22° hunderttheilig).
    Aber wußte der Doctor nicht mehr, was anzufangen, so wußten es Andere. Shandon, kalt und entschlossen, Pen mit zornigem Blick, und einige ihrer Kameraden, die sich noch

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